Die Galionsfigur der Neidgenossen – Auch posthum glänzend vermarktbar: Popstar Hans Hölzel alias Falco (1957-98), spezifisch österreichische Kunstfigur Am Montag wäre Hans Hölzel alias Falco, 1998 in der dominikanischen Republik verunglückt, 50 geworden. Eine Verfilmung seines Lebens ist in Planung. Die posthume Vermarktung dieser spezifisch österreichischen Kunstfigur auf CD und DVD läuft besser denn je.
Wien – Dass man in Österreich außerhalb des Wintersports Erfolge von Landsleuten erst zu würdigen weiß, wenn es für diese längst zu spät ist, lässt sich dieser Tage wieder exemplarisch an der Person des Hans Hölzel festmachen. Immerhin galt er als Falco in seiner Rolle als Österreichs größter lebender und vor allem seit neun Jahren sehr toter Popstar in den letzten Jahren vor seinem Unfalltod in der Dominikanischen Republik als Mann, der sich nach dem Welterfolg mit dem Hit „Rock Me Amadeus“ (1986) zwangsläufig auf dem absteigenden Ast befand.
Das lag zum einen daran, dass er musikalisch wie so viele andere Musiker im Popgeschäft nach einer zündenden Idee reichlich illusions- und visionslos an eben dieser stur bis verzweifelt festhielt, immer wieder dasselbe künstlerische Modell bemühte – und sich so von neuen Zeiten überrollen und ins Ausgedinge schieben lassen musste. Zum anderen gilt laut dem österreichischen Prinzip der „schenen Leich“ im Zweifel immer erst ein toter Künstler als guter Künstler.
Die provinzielle Enge des Landes und eine dadurch bedingte gleichmacherische Neidgenossenschaft duldet es nicht, dass einer aus unseren Reihen zu lange zu erfolgreich ist. Und wenn im Zusammenhang mit Erfolg etwas wider Erwarten nicht faul sein sollte, muss man mit zugeführten Fäulnisbakterien halt etwas nachhelfen. „Fäulen“ im Sinne von „jemanden anfäulen“ – eines der wenigen spezifisch österreichischen Tätigkeitswörter. Endzeit, positiv Die überhebliche und mit einem „positiven Endzeitgefühl“ den Bach der Populärkultur auf einem zum Donaudampfschiff umgebauten angloamerikanischen Überseepott hinuntergehende musikalische Entsprechung der Yuppiekultur („Die Titanic sinkt in Panik …“) hatte interessanterweise alle diesbezüglichen defätistischen Anlagen in sich vereint.
Immerhin arbeitete Falco selbst nicht nur im Song und vor allem im Video zu „Rock Me Amadeus“ mit allen Österreichklischees. Er verdichtete sie in einer historisch unvergleichlichen Mischung aus Vorstadtschlurfigkeit und Pülchercharme zwischen 1982 und 1998 auf Alben wie „Einzelhaft“, „Junge Römer“, „Falco III“, „Emotional“ oder „Wiener Blut“ und in Songs wie „Ganz Wien“ oder „Sound Of Musik“ zu einem Abgesang des österreichisch-schlampigen und -bösartigen Wesens im TechnicolorHochglanzpopformat. In diesem Format sang Hölzel gern verschnupft naseweis mit Bomben und Granaten und zwischen Synthieburgen, böllerndem Schlagzeug und Männerchören untergehend davon, dass der Bach am Ende in jenen Körperteil mündet, zu dem nur selten ein Sonnenstrahl vordringt.
Die, das verklemmte hiesige Wesen bis zur Kenntlichkeit entstellt, camouflierende Kunstfigur Falco, die damals in einem letzten Tanz die genuin österreichischen „Helden von heute“ abfeierte, das war zugleich die Abgrenzung vom Leben in Österreich und speziell im Austropop. Und andererseits die Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich unserer Mentalität. Wo in der heimischen Popmusik sonst bis heute gern den Verhältnissen mit kabarettistischem Humor zu Leibe gerückt wird, weil man sich über die Behelfsschiene des Lustigmachens blendend von eigenen Defiziten abgrenzen kann, machte sich Falco selbst zur in Dada- und Gagasprache rappenden Witzfigur.
Gewollt oder nicht hatte diese möglicherweise nur aus Schüchternheit generierte und mit schnell machenden Drogen befeuerte Arroganz anderen gegenüber am Ende sich selbst zum größten Feind erkoren. Zwischen „Nachtflug“, dem letzten Comeback-Versuch im Jahr 1992, und dem dann schon posthum erschienenen und tatsächlich einen reiferen Künstler präsentieren wollenden Album „Out Of The Dark“ wurde Hölzel gut sechs Jahre lang jene Häme zuteil, die er in Glanzzeiten an andere verteilte und damit zum in Österreich weltberühmten Vorstadtidol der 80er aufstieg.
Was von Falco heute im Rückblick neben posthumer Vermarktung mit Filmprojekten, Best-of-CDs übrig bleibt? Ein paar gute Lieder und jede Menge Misanthropie. Er war tatsächlich in jeder Hinsicht Österreichs größter Popstar. Wir alle liebten seinen Punk.
Quelle: Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17/18.2.2007