„AUSTROPOP – Von Mozart bis FALCO“ Ausstellung | Theatermuseum Wien

„Der Austropop beginnt eigentlich schon bei Mozart und Schikaneder – dies spiegelt sich auch bei FALCO wider, womit gleich der Rahmen der neuen Ausstellung gegeben ist, die Popphänomene thematisch über die Zeiten hinweg gegenüberstellt und von einem Kurator*innen-Team des Theatermuseums gemeinsam kuratiert wird.“

FALCO.NET Chef-Redakteurin Amadea S. Linzer war bei der Premiere von „AUSTROPOP – Von Mozart bis FALCO“ im Theatermuseum dabei und schildert ihre Gedanken über die Ausstellung:

Wer in diesen Tagen mit offenen Augen durch Wien fährt, dem leuchten die bunten Plakate von weitem schon entgegen. „Austropop“ lautet das Zauberwort, das uns am Rande von Klima-, Corona- und anderen Krisen an bessere Zeiten in diesem Land erinnert.

Das Theatermuseum Wien hat am 12.10. eine Ausstellung eröffnet, die erstmals in Österreich das Phänomen Austropop zum Thema macht. Kein leichtes Unterfangen, denn die Definition des Begriffs allein ist bereits eine Schautafel wert. Was ist Austropop? Wo setzt diese Gattung an? Wer gehört dazu? Und wer gehört trotzdem dazu, auch wenn er damit so gar nichts zu tun haben wollte? Fragen über Fragen, über die man sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht hat.

Das Ergebnis ist eine Auseinandersetzung mit dem, was musikalisch gemeinhin als „österreichisch populär“ verstanden wird. Dabei deutet der klingende Untertitel „Von Mozart bis Falco“ den weiten Bogen an. Dieser reicht nicht nur bis ins 18. Jahrhundert zurück, sondern umspannt auch typische Phänomene, die dem Wesen des Austropop zugeordnet werden. Aus der Zeit des Vormärz stammen die sozialkritischen, subversiven Tendenzen in der Literatur, die sich in direkter oder indirekter Weise wie ein roter Faden von Nestroy hinauf ins 20. Jahrhundert ziehen. Aus diesem charmant-bösen Humor haben Qualtinger/Bronner eine sprachlich einzigartige Vorlage geprägt, die die weitere Ära des eigentlichen Austropop ab den 70er Jahren maßgeblich befruchtet hat. Die musikalische Tradition ist also eng verknüpft mit Satire, Kabarett und schwarzem Humor, dessen geniale Ausformungen nicht selten von Depressionen, Alkohol und Drogen inhaltlich und/oder substanziell gespeist wurden.

Austropop ist aber nicht nur das. Das Merkmal „Austro“ ist vor allem seit Johann Strauß ein österreichischer Exportschlager geworden. Die Fledermaus, Die Lustige Witwe (Franz Lehár), natürlich das Neujahrskonzert, die Filme Im Weißen Rössl und vor allem der Kassenschlager Sound of Music haben Kultstatus. Auch wenn diese internationalen Kultur-Transportartikel nicht immer bewusst sind, spielen sie für die Image-Bildung des Landes eine enorme Rolle.

Es lebe der Sport!
Zwar werden die Wirkfelder des Austropop eindeutig in der Musik verortet, sie reichen jedoch über dieses Genre hinaus. So begegnen wir in der Ausstellung neben den singenden, rappenden und rockenden Stars auch gefeierten Sportlegenden, die durch ihre Erfolge das Selbstbild Österreichs im Inland positiv aufgemischt haben. Erinnern wir uns: „Sport und Musik“ war einst nicht nur eine beliebte Radiosendung. Die Verzahnung der beiden Bereiche hat auch musikalische Stilblüten hervorgebracht. Man denke nur an Hans Krankl oder an seinen schwergewichtigen Namensvetter Hans Orsolic.

In den insgesamt sieben Ausstellungsräumen des Palais Lobkowitz werden so ziemlich alle Themen angerissen, die dem Austropop zuzuordnen sind: Das Theatralische und das Tabuisierte, das Subversive und Revolutionäre, das fröhlich Singende und das morbid Klingende, das im Ausland Gefeierte und im Inland Verschmähte. Man wandelt durch imposante Kulissen, die historische Stimmungsbilder inszenieren. Schallplatten-Cover zieren die Wände. In Schaukästen glitzern spezielle Bühnen-Kostüme. Von der Decke hängt allerlei Originales wie z.B. der E-Bass von Marianne Mendt. Man sieht diverse Trophäen, goldene Schallplatten, Falco auf einem riesigen Video-Screen und natürlich jede Menge Fotos, die die Legenden von ihren Anfängen (Mendt, Heller, Brauer) bis jene der goldenen Ära (Ambros, Fendrich, Danzer) in Erinnerung rufen.

Dabei sind die Grenzen von Kunst und Klischee freilich fließend. Insofern haben Das Weiße Rössl, Der Herr Karl, das Café Hawelka, ein Paar alte Schi, der Ö3-Boykott, historische Abspielgeräte (Walkman) und das Handtuch von Austrofred (um nur einige Exponate zu nennen) ebenso ihren Platz wie ein Wurlitzer, zu dessen Liedern man auf einer kleinen Bühne Karaoke singen kann. Hervorzuheben ist ein interaktives Wörterbuch, wo man für Nicht-Österreicher schwer verständliche Formulierungen ins Hochdeutsche einsehen kann.
Hinweise auf die gegenwärtige Szene (Wanda, Bilderbuch, Voodoo Jürgens…) geleiten die Besucher dann nahtlos zu einem kleinen Verkaufstisch, an dem einige nette Souvenirs zu erstehen sind. Eines davon ist das Begleitbuch zur Ausstellung, herausgegeben von der Theaterdirektorin Marie-Theres Arnbom.

© Amadea S. Linzer

Wer tiefer in das Phänomen Austropop eintauchen möchte, dem sei zum einen das Buch ans Herz gelegt und zum anderen der Weg ins Plattengeschäft empfohlen. Austropop ist nicht nur ein museales Ereignis, sondern auch im Jahr 2022 ein lebendiges Genre, das sich im musikalischen Biotop Österreich ständig weiterentwickelt – auch wenn die Zuordnung zu „rot weiß rot“ längst unpopulär geworden ist.

 


FALCO.NET BUCHTIPP:

AUSTROPOP Ausstellungskatalog 2022


 

Für Touristen wird diese Sonderschau einige Rätseln lösen, manche verhärten, bestenfalls den Charme des „seichten, dümmlich Süßen“ erklären. Insofern möge sich die Zahl derer mehren, für die „Wolfgang Amadeus Mozart mehr geworden ist als eine gleichnamige Schokokugel“, wie es Falco bei der Verleihung des „Pop-Amadeus“ (1986) einst formuliert hat.


© FIRST LOOK – FLO 401737 – Wien, 9/1984

A propos FALCO: Er selbst hat sich bekanntlich nie wirklich wohl gefühlt im Biotop Austropop. Das war ihm zu eng, zu österreichisch, vielleicht auch zu eindimensional. Analog dazu ist Falco in seiner thematischen Präsenz als moderner Mozart in der Ausstellung überdimensional stark vertreten. Neben dem Kommissar-Mantel und der mit Mosaiksteinen besetzten Bassgitarre dokumentieren die rote Uniformjacke und die Mozartperücke seine Erfolgsgeschichte mit Rock Me Amadeus, das mit einer Auswahl der größten Hits auf einem Video-Screen zu sehen ist. Aus der Villa in Gars am Kamp wird zudem noch die Ansammlung seiner diversen Trophäen (Bambi etc.) gezeigt. Die eigens installierte Zwangsjacken-Szene aus dem Video Jeanny bildet einen skurrilen Kontrapunkt zu den bekannten Falco-Exponaten. Auch wenn die Schau keine neuen falconischen Offenbarungen bringt, bildet Falco eine zentrale Figur.

Kulturhistorisch gesehen berührt diese Ausstellung ein heikles Thema: das österreichische Selbstbild, das traditionell zwischen Vergangenheitsverklärung, verzerrtem Österreichbild und kultureller Geringschätzung des Eigenen angesiedelt ist. Mittlerweile sind genügend Jahre ins Land gezogen, so dass die zeitliche Distanz in heilsamer Weise korrigierend auf die Erinnerung an die eigene Jugend einwirken kann.

Und das mit dem Prädikat: Sehr leiwand.

 


ORF-Seitenblicke Beitrag
zur Ausstellungseröffnung
vom 12.10.2022


 

Die Ausstellung ist von 12.10.2022 bis 04.09.2023 geöffnet.

Theatermuseum Wien
Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien.
Info: Theatermuseum.at

Redaktion & Text: Amadea S. Linzer