Artikel: FALCO und der WIENER – ein romantischer Paarlauf

Quelle: Wiener Online

ENTSTEHUNG DES „FALCO TRIBUTE ABEND“ IM U4

Am 6. Februar jährt sich FALCOS Todestag zum 20. Mal. Einige Tage später, am 19. Februar, würde Hans Hölzel seinen 61. Geburtstag feiern. Damit ist der alljährliche Feierreigen zu Ehren von Österreichs größtem Popstar aller Zeiten eingeläutet. Und auch FALCOS Original-Band wird wieder aufspielen. Wo? Im U4. Eh klar.

Es war um 2007, und es war in Wien … als die Idee entstand, den alljährlich stattfindenden, mannigfachen FALCO-Tribute-Abenden in nahezu allen Wiener Clubs sozusagen eine Art Krone aufzusetzen. Und zwar indem man die letzte Live-Band, die mit dem Falken tourte und auch das legendäre Donauinselfest-Konzert 1993 bespielte, ein letztes Mal gemeinsam auftreten ließe, mit heimischen Gaststars am Gesangsmikro.

Der WIENER war an der Entstehung dieser Idee nicht ganz unbeteiligt. Genauer gesagt entstand sie auf der Mariahilfer Straße, in den hohen Hallen eines Fastfood-Restaurants, wo der Schreiber dieser Zeilen (damals Veranstalter eines regelmäßigen Live-Clubs im U4) und FALCO-Bandleader Thomas Rabitsch sich zufällig über den Weg liefen und über die bevorstehenden FALCO-Feierlichkeiten (der Film stand kurz vor der Veröffentlichung) plauschten. Irgendwann entstand der Gedanke, man müsste die Band wieder zusammenstellen: Die beiden Rabitschs, Bertl Pistracher am Bass, Peter Paul Skrepek an der Gitarre sowie dem mittlerweile in L.A. lebenden und längst der A-Liga aller Drummer weltweit angehörenden Thomas Lang an der Batterie. Thomas Rabitsch, der klarerweise wusste, dieser Organisations-Stunt würde an ihm hängen bleiben, war zunächst wenig begeistert … kaute an seinem Burger … zählte herunter, welche Vielzahl an Projekten er in den nächsten Wochen zu stemmen hätte … und sagte plötzlich: „Ok, mach mas!”

Der Rest ist längst Geschichte wie gern wahrgenommene Tradition, mittlerweile insgesamt 10 ausverkaufte Shows „daham” im U4 verteilt über die letzten 10 Jahre sind Legende, und das ganze Projekt fand seinen Höhepunkt darin, dass die FALCO-Band beim Donauinselfest 2017 sozusagen den wetterbedingt abgebrochenen Gig von FALCO 1993 zu Ende spielte.

 


Artikel von Franz J. Sauer (Chefredakteur WIENER) / Titelbild des Originalartikels: Conny de Beauclair


 

Als der WIENER 1979 zur Welt kam, spielte Hans Hölzel Bass bei Drahdiwaberl. Mit dem Aufstieg zum Zeitgeistmagazin des einen erwuchs quasi im Paarlauf der andere als Kunstfigur FALCO zum internationalen Popstar. Dementsprechend oft kreuzten sich die Wege der beiden Medien-Phänomene. Oder, wie es “da Hans” treffend auf den Punkt zu bringen wusste: „Die Karriere des WIENER geht mit meiner Karriere Hand in Hand, da wir beide auf romantische Weise zu etwas gekommen sind. Wir sind etwas geworden, ohne anderen zu schaden.”

SCHWERER START

Eigentlich legte die Zweierbeziehung FALCO und der WIENER einen gehörigen Fehlstart hin. Nicht zuletzt, weil man mutmaßlich den Blitzstart des „Kommissar” ein wenig verschlafen und demgemäß nicht darüber – und auch die anderen, feinen Tracks der „Einzelhaft” – berichtet hatte, fällt die erste, ernstzunehmende Erwähnung des mittlerweile zum Popstar erwachsenen eher negativ aus: In der Oktober-Ausgabe des Jahres 1982 fühlte sich Herr Hölzel empfindlich missverstanden, als ihm im Rahmen der Story „Wer sind hier die Plattenmillionäre” nicht nur ein falsches Mercedesmodell angedichtet, sondern auch Steuerflucht vorgeworfen wurde. Entsprechend glamourös folgte nur eine Ausgabe später die Reaktion aus dem Falkenhorst: eine ganzseitige, spärlich betextete, bezahlte Anzeige, die rechtliche Schritte ankündigte:

 

DER GROSSE FALKE

Schon im Februar des folgenden Jahres schien man sich bereits ausgesöhnt zu haben: Die Ausgabe 2/1983 zeigt Falco am Cover, untertitelt mit der catchigen Headline „Party”. Ab März 1984 schließlich schienen die Dissonanzen endgültig ausgeräumt, nicht nur in einem halbseitigen Special in der „Intimzone” wurde dem kommenden Album „Junge Römer” Großes angedient, auch weil das Art-Department des WIENER (Lo Breier, Gottfried Moritz, Gerhard Heller) an der Gestaltung des Covers mitwirkte – welches sich im selben Heft weiter hinten als ganzseitiges Inserat wiederfindet. Und wer den legendären Geiz von Plattenboss Markus Spiegel kannte und kennt, weiß, wieviel das bedeutete. Nur ein Heft später widmete der legendäre Chefredakteur Michael Hopp dem zweiten, am Erstling gemessen wenig erfolgreichen FALCO-Longplayer „Junge Roemer” eine begeisterte Rezension mit dem Titel „Der Große Falke – Annäherung an ein Phänomen.”, und weiter: „Falcos neue LP „Junge Roemer” ist schlichtweg sensationell.”

MOZART STATT PONGER

Bereits im September 84 folgte das zweite FALCO-Cover des WIENER, diesmal zum Thema „Männerfreundschaften – besser als jede Frau.” Folgerichtig zeigte die Titelseite den Falken mit seinem Langzeit-Best-Buddy Billy Filanowski, inszeniert von Gerhard Heller. Flapsig gab der Hans im Glück zu Protokoll: „Ich schätze am Billy, dass er der Weltmeister an Ignoranz ist. Was mir trotz aller Bemühungen nicht zu gelingen scheint.” Es muss etwa in jenen Tagen geschehen sein, dass FALCO und sein Business-Team um Markus Spiegel und Horst Bork die Abkehr von Produktionsgenie Robert Ponger hin zu den Hitfabrikanten Bolland & Bolland in Hilversum, Holland, beschlossen, der WIENER wusste davon erstmals im Februar 1985 zu berichten: „Ohne Mitwirkung seines Hausproduzenten Robert Ponger legt Falco seine neue Plattenproduktion „Rock me, Amadeus” vor …. die Musik ist geradliniger, weniger verspielt und auch wieder rappiger geworden.”.

GOING INTERNATIONAL

Im August ’85 verkündete Redakteur Gerald Sturz schließlich einen prominenten Zuwachs in der Entourage des Falken: „Politprofi” Hans Mahr kümmere sich künftig um die mediale Vermarktung – und nur das. Die Headline „Hans Mahr managt Falco” begründete ein sich jahrelang hartnäckig haltendes Gerücht: Der spätere RTL-Chef war niemals Falcos Manager. Er bescherte ihm nur zahlreiche Krone-Titelseiten – wobei „nur” hier relativ zu verstehen ist. Streng diametral zur internationalen Rezeption von „FALCO 3″ war übrigens WIENER-Chef Hopp ganz und gar nicht begeistert vom Hölzelschen Opus Magnus. „Eine Träne für Falco” titelte die Plattenkritik im November 1985. Mit der traurigen Unterzeile: „’Falco 3′ ist nicht so gut wie ‘Junge Roemer’ sagt Hopp. Wahrscheinlich hat er wieder nicht recht.” Quasi als Nachwehe von Hopps Abgang als Chefredakteur ist die weiters hartnäckige Ignoranz der überall anderswo euphorisch bejubelten „US-Number 1″ zu verstehen – bloß einen Livebericht von der triumphalen Japan-Tournee im Jahre 1986 ist der Falken-Höhenflug dem WIENER wert, witzig umgesetzt von „Lobelt Leumann”.

EMOTIONAL

Also schnell hin zum nächsten Album – bereits im Sommer, als FALCO seinen Aufstieg zum absoluten Pop-Olymp am allerwenigsten genießt, genoss WIENER-Autor Günter Brödl eine exklusive Listening-Session des nächsten Longplayers „Emotional”, wieder produziert von den Bolland-Brüdern – der Text ist hier in voller Länge abrufbar. Die Saison 1987 brachte allerdings bloß Berichtenswertes von der bereits abgefeierten 86er-Japantour. Einen leichten Vorgeschmack darauf, dass Österreichs größter Popstar künftig mehr auf den Promiseiten denn in der Musikberichterstattung Raum nehmen wird, brachte die Fotomontage aus dem Juni 1988, die voraussehen wollte, wie FALCO als Pensionist aussehen könnte. Hm.

A LAUWARME PLATTEN …

Im Oktober 1988 gings dann doch noch einmal um die Musik – „Wiener Blut tut gut” hieß die Headline zur Geschichte über „Wiener Blut” zur fünften FALCO-LP, allerdings drehte sich auch schon dieses Gespräch mehr um die „Bürgerlichwerdung” des Popstars, der jüngst Vater geworden war und geheiratet hatte. Gewisse Zweifel der Redakteure Gunther Baumann und Peter Paul Hopfinger, ob die beiden Lebenswege, der neue des Hans Hölzel und der gewohnte des Falco, denn wirklich kompatibel wären, wischte Falco vom Tisch: „Der Begriff Bürgerlichkeit ist ja vom Geschmack her mit Eigenschaften wie reaktionär oder spießig verbunden. Ich hoffe doch, dass das auf mich nicht zutrifft – im Gegenteil: Ich möchte Mitglied werden im Verein für deutliche Aussprache.” Im Jänner 1989 schließlich fand sich erstmals ein sanftes Schimmern von Bedauern puncto Falco in den Druckfahnen des WIENER; zwar war „Wiener Blut” bis an die Spitze der Ö3-Hitparade gewandert, das allerdings für nicht sonderlich lange. Folgerichtig fehlte es der Fangemeinde auch an gesteigertem Bedürfnis, den Falken live zu sehen: Noch faselte Berater Mahr von Problemen mit dem „Equipment”, die Anführungszeichen um „aus ‘technischen Gründen’” unter „FALCO: Tournee verschoben” sprachen allerdings Bände. Und die Exklusiv-Story im Herbst des selben Jahres handelte leider auch nicht vom Comeback des Popstars, sondern eher von der privaten Misere des Herrn Hölzel: Es ging um die jüngst erfolgte Scheidung von Isabella Vitkovic. „Als Popstar ganz hoch oben auf dem Podest zu stehen” wird in der Einleitung zum Artikel von Gunther Baumann nur noch als Traum bezeichnet, den Falco nicht aufgegeben habe.

PONGER, SÜWERL, TITANIC

Umso hoffnungsfroher wurde die Reunion des vom WIENER favorisierten Dreamteam Robert Ponger / FALCO rezensiert, als die beiden wieder im Studio zusammentrafen, um „Data de Groove” aufzunehmen. Falco um 17 Kilo leichter, von einer Weltreise erfrischt und vom Alkohol geheilt, wie er betont, mit Barrett und Bassgitarre zwischen der neuesten Elektro-Gerätschaft von Soundfreak Ponger. Die obligate WIENER-Besprechung des Albums fehlte allerdings schmerzlich – nicht zuletzt, weil der WIENER unter der Herausgeberschaft von Gerd Leitgeb einen rechtschaffen boulevardesquen Kurs eingeschlagen hatte, der sich mehr für Personalien als für deren Werke interessiert. Folgerichtig war die Romanze des Falken mit seinem „Pretty Woman” Sylvia „Süwerl” Wagner die nächsten Jahre über FALCO-Topic Nummer 1, nur kurz unterbrochen von einem mauen Charts-Shoutout des Albums „Nachtflug” mit allerlei sonstiger Austropop-Tonträgerei.

ON THE ROAD AGAIN

Immerhin kündete eine Kurzmeldung im Frühjahr 1993 vom Geruch des Aufschwunges, als für die nun doch wieder gut verkauft stattfindende „Nachtflug”-Tour, jene, die ihr Ende beim legendären Gig auf der Donauinsel anno 93 fand, nette Worte gefunden wurden. Aber schon kurz danach, Wolfgang Höllrigl war mittlerweile Chefredakteur, war „Falco Hölzl (sic!), Legende” dem WIENER bloß noch Platz 28 im „Ranking der eitelsten Österreicher” wert – gewürzt mit dem uncharmanten Beisatz: „Will im Gespräch sein, obwohl er nichts mehr sagt.” Nicht minder niederschmetternd handelte die nächste FALCO-related WIENER-Geschichte gar nurmehr von seiner Ex Süwerl, die im September 1994 scheinbar an einer Solokarriere als Popsängerin werkte.

FALCO WIRD 40

Im Mai 1995, FALCO experimentierte gerade mit dem Kürzel „TM-A” und dem „Mann mit dem Koks” mit Techno-Beats, wurde schließlich die neue Liebe präsentiert: Caroline Perron als „Squaw für den Falken?”; Boulevard, wie gesagt (Caroline alias Oota Dabun blieb Wien übrigens feinerweise erhalten und arbeitet an ihrer eigenen Karriere). In seinem letzten großen Interview für den WIENER präsentierte sich Falco knapp vor seinem 40er als „Fast wieder ein Mensch”, ehrlich wie selten zuvor erzählte er Andrea Fehringer, die er im Rahmen der „Schule für Dichtung” kennenlernte, von seiner Berg- und Talfahrt der letzten 15 Jahre. Weiters verkündete er sein Auswandern in die Dominikanische Republik und lieferte eine verschämte Vorschau aufs neue Album „Egoisten”, das letztlich posthum als „Out of the Dark” erschien und leider nicht nur aus musikalischen Gründen durch die Decke ging. Das letzte WIENER-Snippet zu Falcos Lebzeiten stammte aus dem Juni 1997 und brachte ein Foto vom Lifeball des selben Jahres, wo Wien das letzte öffentliche Live-Showcase von Falco sah.

VERDAMMT WIR LEBEN NOCH.

Am 6. Februar 1998 starb Falco in der Dominikanischen Republik bei einem Verkehrsunfall. Beim WIENER war ganz frisch Andreas Wollinger Chefredakteur, die Ära von Hans Schmid als Herausgeber ging langsam einem Ende zu, und aus nachvollziehbaren Gründen wurde die Falco-Dichte in der Berichterstattung wieder mehr: FALCO tot, aber in. Vermutlich bekam der Mann, der einst Hans Hölzel war, seit dessen Tod mehr Covers, mehr Stories, mehr Nennungen im WIENER gewidmet, als zu Lebzeiten, in anderen Medien sowieso. Das ist uns hier aber egal, wir beschreiben nur den gemeinsamen Weg von FALCO und dem WIENER. Und der endete einerseits mit der großen Erinnerungsstory von „Blutsbruder” Rudi Dolezal, andererseits mit einem emotionalen wie bezeichnenden Abschiedsbrief von Michael Hopp im Märzheft des Jahres 1998:

FALCO 60 FF.

Seit 2007 lässt die letzte Live-Band des Falken, jene Formation also, von der er selbst behauptete, sie sei die „beste Band, die er je hatte”, und die sich passenderweise mittlerweile „Goldfisch” (weil die ja bekanntlich immer im U4 geigen …) nennt, zu runden Anlässen, stets also im Februar, FALCO hochleben. Und zwar im U4, jenem Wohnzimmer, das er oft belebte, aber nie bespielte. Und wenn Türsteher-Legende und Falco-Intimus Conny de Beauclair zur Sause ruft, folgen die Fans weltweit seinem Ruf.

 


Quelle: Franz J. Sauer/Chefredakteur im Wiener Online