Interview: Horst Bork „Die Musik war sein Ein und Alles“

Am 20. Januar feiert das Musical zu Popstar Falco Premiere – mit Stationen in Dortmund und Münster. Einen Monat später, im Februar, wäre der Sänger 60 geworden. Falcos engster Vertrauer und Manager Horst Bork spricht im Interview über Falcos Liebe zur Musik und warum er nicht an einen Suizid des Musikers glaubt.

Herr Bork, dieses Jahr wäre Falco 60 Jahre alt geworden. Glauben Sie, er würde heute immer noch Musik machen, wenn er noch leben würde?

Davon gehe ich aus. Er hat immer gesagt, was er am besten könne, sei Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen. Er war so mit der Musik verwurzelt, das war sein Ein und Alles. Falco würde heute jedoch anders klingen. Wir haben damals vieles ausprobiert, das nicht das Licht der Welt erblickt hat…

Seit 18 Jahren ist Falco mittlerweile schon tot. Was vermissen Sie am meisten an ihm?

Am meisten natürlich meinen guten Freund. Dass ich mich nicht mehr mit ihm unterhalten, dass ich keine Diskussionen mehr mit ihm führen kann. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, wir waren häufig gemeinsam im Urlaub, wir haben allerdings immer versucht, strikt zwischen geschäftlich und privat zu trennen. Auch als wir uns geschäftlich getrennt haben, waren wir privat noch eng verbunden. Diese Erinnerungen tauchen immer wieder auf, wenn ich unterwegs bin und einen Song von ihm im Radio höre. In solchen Momenten vermisse ich ihn besonders.

Was glauben Sie: Warum hat Falco die deutschsprachige Musik so sehr geprägt, dass seine Hits heute immer noch so beliebt sind?

Zu Falcos aktiven Zeiten gab es ja auch andere Sänger, die auf Deutsch gesungen haben und damit international erfolgreich waren, wie Nena zum Beispiel. Ich glaube aber, die Beliebtheit eines Sängers liegt an einem bestimmten Mix – aus der Person selbst und natürlich aus der Musik. Und Falcos Musik klingt heute noch relativ aktuell und zeitgemäß, da merkt man nicht, dass da manches schon 30 Jahre alt ist. Und die Produktionen war für die damalige Zeit ungeheuerlich teuer und aufwendig, das zahlt sich heute aus.

Es ranken sich viele Gerüchte um Falcos tödlichen Autounfall. Er soll damals nicht nur einen Alkoholspiegel von 1,5 Promille im Blut gehabt haben, sondern auch Spuren von Kokain und THC. Außerdem wurde gemutmaßt, er habe Suizid begangen. Was ist an all diesen Vermutungen dran?

Fakt ist, dass es kein Suizid war, er hatte keine Todessehnsucht, dafür hat Falco viel zu gerne gelebt. Und in diesem tragischen Moment damals kamen Faktoren zusammen, die man als Ganzes sehen muss: Er hatte, wie Sie schon sagen, reichlich Alkohol und Drogen im Blut, dazu noch Psychopharmaka, er war müde, hat bei 38 Grad im Auto geschlafen. Im Halbschlaf fuhr er dann von dem Parkplatz aus auf die Hauptstraße, übersah den Bus, der links kam und – wie Ermittlungen ergaben – der wesentlich zu schnell unterwegs war. Das kam auch noch hinzu. Das hat Falco unterschätzt und führte zu diesem traurigen Umstand. Ich muss aber betonen, dass er ein umsichtiger Autofahrer war. Er war kein wilder Bube auf der Straße – anders als in anderen Lebensbereichen.

Waren Falcos Suchtprobleme so schlimm?

Er hatte massive Suchtprobleme, was Alkohol, Drogen und Psychopharmaka betraf. Er hat versucht, dem zu entkommen, er hat Entziehungskuren probiert, zeitweise hat das geholfen. Er trank dann monatelang keinen einzigen Schluck Alkohol, wurde schlank wie ein Pfeil. Aber leider hat das nicht lange angehalten, und die ganzen Probleme fingen von vorne an.

Wie wirkte er im Rauschzustand auf Sie?

Falco war so wie alle Menschen, die mit Suchtproblemen zu kämpfen haben: Er war dann häufig ein gänzlich anderer Mensch. Er war zwar respektvoll und umgänglich, blieb häufig zu Hause, aber dann hat es Situationen gegeben, in denen man gemerkt hat, dass da etwas nicht stimmt, dass er das lieber hätte bleiben lassen sollen. Solche Dinge passieren aber leider in diesem Geschäft. Und so hat er sich manchmal zu Interviews, Aufnahmen und auf die Bühnen geschleppt. Totalausfälle gab es ganz, ganz selten. Er wusste, was er zu tun hatte – und er war bemüht, seinen Job zu erfüllen. Er war in seinem normalen Leben ein rücksichtsvoller, schüchterner, normaler Typ. Das klingt unglaublich, ich weiß, aber so hat er gelebt. Drogen und Alkohol haben sein Leben leider zu seinem Nachteil verändert.

Was hat Falco kaputt gemacht: Der rasante Ruhm der 80er-Jahre, als er sich vor Rekorden kaum retten konnte? Oder doch der sich langsam einschleichende Misserfolg der 90er-Jahre?

Misserfolg ist bei Falco weit hergeholt. Er war mit „Rock Me Amadeus“ wochenlang die Nummer eins in Amerika, und auch „Vienna Calling“ landete auf Platz neun. In den US-Charts. Und dann kamen die Schlaumeier, die davon schwadronierten, jetzt gehe es mit Falco bergab. 99 Prozent aller Künstler weltweit schaffen es nie, die US-Charts von innen zu sehen. Deshalb sollte man bei einer Nummer neun in den USA nicht von einem Misserfolg sprechen. Man muss sich nur mal seine Umsätze ansehen, die weltweit sehr gut waren. Nur weil nicht jede Veröffentlichung in Amerika Platz eins erreicht hat, bedeutet das doch nicht, dass es bergab geht. Dass er daran gemessen wurde, hat ihn sehr gewurmt. Das ist dem Künstler gegenüber nicht fair. Deshalb hat er, als die Nachricht kam, dass er die Nummer eins in den USA ist, lapidar gesagt, „naja, jetzt wird es schwierig, schaffe ich das denn noch mal?“. Das hat er sofort realisiert. Das hat ihn immer unter Druck gesetzt.

Immer wieder geriet Falco mit privaten Enthüllungen in die Presse. Wie sehr haben sich diese Schlagzeilen auf den Menschen Hans Hölzel, nicht auf den Musiker Falco ausgewirkt?

Man kann keine Trennung vornehmen zwischen dem Privatmann Hans Hölzel und dem Künstler Falco. Auch an den Tagen, an denen er nicht gearbeitet hat, war er trotzdem Falco. Er hat auch keine Zeitungen gelesen, weil er nicht lesen wollte, was über ihn geschrieben wird. Er tat das, was er für richtig hielt. Obwohl ich dann schon gemerkt habe, dass ihn negative Meldungen geärgert haben. Er hat sich aber – wie jeder normale Mensch – gefreut, wenn er Lob bekommen hat, und er hat sich intensiv damit beschäftigt, wenn er berechtigterweise kritisiert wurde. Wenn er festgestellt hat, dass Diskussionen nichts bringen, dann hat er es aber auch dabei belassen. Er konnte noch so erfolgreich sein: Er hatte immer die Sehnsucht nach Ruhe, er wollte das Leben in aller Stille genießen. Dazu ist es leider nicht gekommen.

Sie kennen die Musikbranche bestens, haben mit den Größen des Geschäfts zusammengearbeitet und das Schicksal Falcos hautnah miterlebt. Zerstört die Szene einen Musiker auf Dauer?

Nein, glaube ich nicht. Ich denke, es drohen tiefere Frustrationen bis hin zu Depressionen – wenn man merkt, dass man trotz der ganzen Arbeit nicht die Würdigung erhält, die man sich erhofft. Heute hat ein Musiker noch weniger Zeit, sich zu entwickeln als früher. Schießt man heute eine Kugel ab, und die verfehlt ihr Ziel, sagt man sofort, „danke, das war’s“. Die Schnelllebigkeit des Geschäfts ist schockierend.

Christian Stein

Quelle: Ruhrnachrichten.de