Von den insgesamt sieben Alben, die FALCO zu Lebzeiten veröffentlicht hat, ist „Data de Groove„, das sechste, mit Abstand das Schwierigste. Vermutlich sowohl in der Entstehung, als auch in der Rezeption. Im Oeuvre FALCOs gilt „die Data“ als Extravaganza. Als ein Buch mit sieben Siegeln, das nicht gedruckt, sondern auf Platte erschienen ist.
„There’s no river too deep
No mountain to high
Any kind of vision in the air“
Die Gschicht war a jene:
Ende der 80er Jahre wagte Hans einen Seitensprung in die Sprachkunst. Die Freundschaft mit Christian Ide Hintze, dem damaligen Leiter der „Schule für Dichtung“ eröffnete ihm, dem eh schon Text-Traumatisierten, einen völlig neuen, offenen Zugang zum poetischen Arbeiten. Für kurze, intensive Zeit war Hans seiner eigenen sprachkünstlerischen Gabe auf der Spur. Die Nähe zu den Wiener Dichterfürsten (Jandl, Artmann, Rühm) befruchtete ihn in kontroversieller Form. Er der Popstar sollte kommerziell Verwertbares liefern und sich auf keine Experimente einlassen. Entgegen warnender Expertenmeinungen ließ er sich aber nicht entmutigen und probierte für sein sechstes Album völlig neue Wege. Ein kommerzieller Irrweg, wie sich bald herausstellte.
Das Ergebnis..
…ein mutiges, sprachexperimentelles, aber zugleich völlig unverstandenes Machwerk der frühen Neunziger Jahre. Die Texte erzählen keine Story. Sie sind rhythmische, lautpoetische Textkörper, in denen Hans nicht nur vor sich hin reimt, sondern auch Botschaften hinterlegt hat. In Summe eine zeitlose Perle tanzbarer, grooviger Sounds, produziert vom antipodalen Genius Robert Ponger. Die Platte damals ein Rätsel für die Zeitgenossen. Ein Flop für die Produzenten. Eine Niederlage für Hans, dem die zeitlose Wirkung dieser Produktion leider so gar nicht bewusst war.
Wenn wir FALCO heute…
… von der Verbindung der „kalten, intelligenten Elektronik“ mit dem menschlich, elementaren, Warmen als Erklärung für „Data de Groove“ reden hören, dann erkennen wir jetzt, wie intuitiv er in seiner Arbeit voraus gelegen ist. Die Verbindung der beiden Pole (Mensch und Computer) mutete vor 30 Jahren noch utopisch an. Seine Ausdrucksweise verstörte. Mit Begriffen wie „Quellcodes“, „Frontprogramm“, „Backspace“ konnte der Mainstream nichts anfangen. Was wollte uns der Dichter damit nur sagen?
„Data de Groove“ ist…
…ein verschlüsseltes Album. Ein in Kunstsprache gegossenes Vermächtnis an die Nachwelt, der er in codierter Form nicht nur von seinen literarischen Versuchen der experimentellen Sprachkunst erzählt, sondern dabei den Bogen von gesellschaftlich-politischen bis hin zu ganz persönlichen zwischenmenschlichen Statements spannt. In diesem Album gibt er viel über sich selbst preis. Aber ganz nach Falco’s Manier, das heißt er spricht nicht in Versen, sondern in Rätseln. Genauer gesagt, sind es Codes. Dieser zum Beispiel:
…
Don’t you know
It’s the nothing I won’t let go
The neo is a sample of your soul
…
Glasklar
And it’s tomorrow, you know
And it’s tomorrow you will never know
…
An solchen Fragmenten zeigt sich, wer er aller war: ein blind Sehender, ein ewig Suchender, ein Nichts-Wissend und doch Alles-Ahnender. Verrückt für die Zeitgenossen. Und genial für die Nachwelt.
Listen
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Heute vor 30 Jahren..
…also am 25.5.1990, hat er übrigens „Data de Groove“ auf dem Wiener Donauinselfest erstmals präsentiert. Nein, es war kein Hype. Auch kein Charisma Kommando. Ein Playback-Auftritt vor einem verstörten Publikum. Eine absurde Episode in seiner Karriere, bedenkt man das exorbitante Momentum Maximum, das sich ebenda drei Jahre später, im Juni 1993 dann ereignen sollte. Aber das ist definitiv eine andere Geschichte…
ER über „Data de Groove“:
„Als ich Ende Zwanzig war, glaubte ich, alles hinter mir zu haben. Jetzt, mit 33 weiß ich: Alles liegt vor mir. Mit der neuen LP kann ich mir zum ersten Mal das leisten, was ich wirklich will. Der Sound ist wie die Innenarchitektur und die Mode der „post eighties“ – everything goes. Kräftige Naturinformation in Synthese mit allem, was ein Studio hergibt. „Data de Groove“ ist der Nachweis meiner offenen Potenziale.“
Hans Hölzel 😎 (1990, aus: Melodie und Rhythmus, 9/1990, S. 4,5)
Produced by Falco & Robert Ponger
Executive Producer: Robert Ponger
Recorded at Stereo West Studio Vienna
Recording Engineer: Christian Seitz
Background vocals: Victoria Miles, Jocelyn B. Smith, Andy Baum, Bernhard Rabitsch, Stefan Bidermann
Coverdesign: Lo Breier
Photography: Juergen Teller
© Idee/Text/Beitrag – mit freundlicher Genehmigung – von Amadea S. Linzer