Artikel: Die Auferstehung – Der neue FALCO in „F@lco ? A Cyber Show“ – 2000

DIE AUFERSTEHUNG – Der neue FALCO

Das Musical. „Schlafes Bruder“- Star André Eisermann spielt Hans Hölzel in „F@lco ? A Cyber Show“ ? einem Stück über Alkohol, Exzesse und die totale Verzweiflung.

Die Szenerie wirkt, als hätten Monty Phyton ihr Wirken kurzfristig ins Wiener Ronacher verlegt: Jesus Christus hängt am Kreuz, doch pfeift er diesmal nicht wohlgelaunt „Always Look at the Bright Side of Life“, sondern sucht bei urbaneren Tönen Zuflucht. „Ich war Superstar, ich war populär, ich war so exaltiert, because ich hatte Flair“ rappt Jesus mit einer Inbrunst, , dass selbst Gottvater aus den Wolken erscheint und in den *Amadeus* – Chor einstimmt. Szene 25 des neuen Musicals *Falco ? A Cyber Show* des israelischen Dramatikers Joshua Sobol, das seit dieser Woche im Wiener Ronacher geprobt wird: Ein 30 Millionen Schilling teurer Grenzgang, ungeeignet für Fanclubs, aber von schonungsloser Verrücktheit.

Ficken und Blasen. Da parlieren Beethoven, Schubert und Bach mit Falco übers *Ficken* und *Blasen*, dann sinkt die Titanic vor der Dominikanischen Republik. Ein Schrammel-Quartett spielt Wienerlieder, und Hans Hölzel sitzt im *karibischen KZ mit seinen Luxusvillen mit elektrischem Stacheldraht und deutschen Schäferhunden* und fühlt sich zum Kotzen. Dazu taucht immer wieder das Bild von Hans Hölzels Zwillingsbrüdern auf, die bei der Geburt verstorben sind und an deren Tod er sich schuldig fühlt ? im Drehbuch einfach als *Falco & Falco, zwei Totgeburten* bezeichnet.

Knapp zwei Jahre nach seinem realen Tod am 6. Februar 1998 auf einer verstaubten Landstraße in der Dominikanischen Republik soll Falco auferstehen. In der Regie von Paulus Manker, selber ein Extremist der Schauspiel- und Regiekunst, dessen faszinierendes Alma-Mahler-Werfel-Stück im Sanatorium Punkersdorf vier Jahre ausverkauft war. Zunächst wird Falco für 22 Vorstellungen im April reanimiert, dann nochmals für eine Tournee durch den deutschen Sprachraum.

Eisermann & Lang. Lange fahndete Manker mit seinen musikalischen Leiter Thomas Rabitsch, einst Falcos Bandleader, nach den kongenialen Hautdarstellern. Nun wurden sie fündig:

· Die Hauptrolle des Hans Hölzel übernimmt André Eisermann, 32, Star aus Joseph Vilsmaiers Verfilmung des Kultbuches *Schlafes Bruder* . „Ein kreativer Exzentriker mit einem Hang zum Irrsinn“ wie *Schlafes Bruder* – Autor Robert Schneider den von Kollegen gerne als *junger Kinski* beschriebenen Schauspieler sieht, der schon unter Tabori und Haußmann brillierte.

· Hansi Lang, mit Songs wie *Keine Angst* und *Ich spiele Leben* einst Szene-Idol der heimischen New-Wave-Ära, spielt die Rolle des Citizen Kain, des ältesten Falco-Freundes. Im Rollstuhl singt er *Ganz Wien* .

· Roman Gregory, einst Sänger der Kultband *Alkbottle*, spielt eine weitere Hauptrolle in der *CyberShow*.

Auch die handelnden Personen im Stück werden Falco-Enthusiasten leicht outen können. Falco-Entdecker Markus Spiegel, der ihm für *Ganz Wien* seinen ersten Plattenvertrag gab, wird im Stück zu Karl Markus.

Falcos Mutter Maria Hölzel findet sich in Charakterzügen von Baby Blue wieder.

Rudi Klausnitzer, Intendant der *Vereinigten Bühnen Wien*, taucht als Emcee, der Zeremonienmeister, auf, und wird sogar im Stück attackiert: „Als Du Chef vom Ö3 warst, lieber Rudi, hast Du seine Musik verboten. Dir ist fast schlecht geworden damals! Du hast Dich fast angespieben.“

Anders als Burkhard Driest im Berliner *Theater des Westens*, der Falco ab 23. September in *Falco meets Amadeus* als „drogensüchtiges, versoffenes Genie“ zeigen will, zeigen Autor Sobol und Regisseur Manker die Sensiblen, verletzlichen Seiten Hans Hölzels, der immer mehr an der von ihm geschaffenen Kunstfigur F@lco zerbricht.

Bühne als Internet-@. Auch sonst ist bei dem potentiellen Kultstück alles anders. Für die Cyber-Show wird das Ronacher in eine riesige Arena in der Form eines Internet-@ verwandelt. Von den Logen können die Zuschauer passiv das Spektakel verfolgen, während unten im Parkett die Besitzer der billigeren Tickets ein Rockkonzert erwartet, bei dem sie tanzen, um die Bühne gehen und sich an die Bars unter den Stegen stellen können.

Blut fällt zur Erde. Im Stück selbst vermisst man die durchgehende Handlung. In Collagen erlebt man Falcos ersten Erfolg mit *Der Kommissar*, die Enttäuschung *Junge Römer*, die mentale Enttäuschung des untergeschobenen Kindes, bildlich umgesetzt durch riesige Blutstropfen, die zur Erde fallen und die ganze Bühne bedecken. Hans will schließlich sein Alter Ego, die von ihm geschaffene Kunstfigur, die in der Cyber-Show nur virtuell auf Bildschirmen, Vidiwalls und Computeranimationen erscheint, von allen Festplatten löschen.

Doch er entgeht seinem Golem nicht. In der Dominikanischen Republik ereilt ihn sein Schicksal.

Crash als Videospiel. Den tödlichen Crash erlebt der Zuschauer schließlich als Videospiel. Der Fahrer des Autobusses, der Hans Hölzels Leben so dramatisch beendet, ist: F@lco , sein Alter Ego. Im Stück selbst finden sich 18 Falco-Nummern, unter ihnen Hits wie *Der Kommissar*, *Out of the Dark*, *Vienna Calling* und *Junge Römer*, aber auch längst vergessene Titel wie *Garbo*, *The Kiss of Kathleen Turner* oder *Baby Blue*.

Regisseur Paulus Manker wollte bewusst keine Falco-Imitatoren, sondern „Rockstars die sich selbst spielen können“. So schickte er fast 250 Musicaldarsteller nach Auditions in Wien, Düsseldorf und Berlin wieder heim. Auch höchst verschiedenartige Prominenz bewarb sich um Rollen im potenziellen Kultstück, etwa Ira von Fürstenbergs Sohn Hubertus Hohenlohe, Mad Shuh oder Jade Davies, wenngleich vergebens.

Bei Castings in New York fahndeten Manker und Rabitsch schließlich sogar nach einem farbigen Hansi (Manker zu NEWS: „Das würde mich nicht stören und wäre überraschend.“), bis Eisermann zusagte.

Nun wird sechsmal pro Woche zehn Stunden bis zur Premiere am 1. April geprobt.

In Berlin suchen Skandalautor Burkhard Driest und *Theater des Westens*-Intendant Elmar Ottenthal derweilen noch geeignete Darsteller. Ottenthal: „Wir haben zwei Hauptpersonen, Mozart und Falco, und wollen anders als in Wien ein Crossover zwischen Pop und Klassik schaffen.“

Bald Friede im Erbstreit? Während der Verblichene auf zwei Bühnen Urständ feiert, zeichnet sich zu seinem 2. Todestag am 6. Februar im Kampf um sein Erbe die Lösung ab.

Wenn Ex-Ariola-Boss Stephan Friedberg, vom Gericht in der Nachlass-Causa als Sachverständiger eingesetzt, im Frühjahr die Tantiemen- und Lizenzabrechnungen Falcos für das Jahr 1999 erhält, will er einen Monat danach mit der Expertise fertig sein: “ Spätestens im Sommer ist der Fall abgeschlossen.“ Dann kann wieder Friede zwischen Hans Hölzels Eltern einkehren.

 

Quelle: NEWS 5/2000