Artikel: Falco und sein Wien-Schmäh

Wien als Erfolgsfaktor
Es hat eine Zeit gegeben, da hat es geheißen, Falco ganz alleine habe Wien aus dem popkulturellen Dornröschenschlaf wachgeküsst. Dass Falco 1980 in „Ganz Wien“ die Hauptstadt und ihr Drogenproblem zum Thema („Man sieht ganz Wien, is so herrlich hin, hin, hin“) machte, sollte sich als programmatische Ansage für seine gesamte Karriere entpuppen. Beide Themen beschäftigten ihn, sowohl künstlerisch als auch privat.

Mittlerweile ist die Musikgeschichtsschreibung differenzierter: Das 2013 erschienene Buch „Wienpop“ zeichnete minutiös fünf Jahrzehnte Pop in der Stadt nach. Die folgende Ausstellung dazu ist noch im Wien Museum zu sehen. Dass sie „Ganz Wien“ heißt, also nach Falcos erstem Hit betitelt wurde, ist freilich kein Zufall.

Durch und durch Wien
Von Anfang an ist Falco durch und durch Wien. Sein Deutsch-Englisch-Sprachmischmasch, selbst später italienische und französische Einsprengsel sind nichts anderes als eine Form des Wienerischen, nasal und präpotent vorgetragen. Falco punktet – auch und vor allem in Deutschland – mit dem „Wiener Schmäh“, und am besten funktioniert er dann, wenn auch die durchblitzende Selbstironie verstanden wird.

Der funkelnde Moloch
Doch nicht nur Form, auch der Inhalt von Falcos ersten Jahren war von Wien geprägt, der Großteil seiner ersten großen Erfolge verkaufte sich mit einem Wien-Schmäh. Die Idee zu „Der Kommissar“, dem erstem Megahit, soll Falco bei einem Gastauftritt bei „Kottan ermittelt“ und bei einer Geburtstagsfeier von Lukas Resetarits gekommen sein. Nicht namentlich erwähnt, aber eindeutig sind auch die Textzeilen von „Zuviel Hitze“: „Es hat zuviel Hitze, und da friere ich. Ja diese Stadt hat nichts, für mich und dich“.

Falcos Wien-Bild auf dem ersten Album „Einzelhaft“ spiegelt das Wien Anfang der 80er Jahre wieder, aus der Sicht eines Aufsteigers, eines jungen Manns aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Seine Stadt ist ein funkelnder Moloch, abstoßend und anziehend zugleich. Und der Blick ist wohl auch geprägt von Falcos Zeit in Berlin, für das all diese Zuschreibungen Ende der 70er Jahre noch viel mehr galten. In „Auf der Flucht“ thematisierte Falco auch das.

„Amadeus“ nur „unter größtem Widerstand“
Während Falcos zweites Album „Junge Römer“ – vielleicht auch dem Wandeln auf Davis Bowies Spuren geschuldet -, sich weiter von Wien entfernte, war es dann „Falco 3“, das ganz im Zeichen der Hauptstadt steht. Den Smashhit „Rock me Amadeus“ wollte Falco der Legende nach gar nicht singen, weil er sich nicht der Leichenfledderei schuldig machen wollte – und weil Mozart Salzburger war. Der Satz „Ich singe diesen Titel nur unter größtem Widerstand und auf Druck meines Managements“ ist mehrfach überliefert. Falco machte Amadeus dann doch zum Wiener: „Und er lebte in der großen Stadt. Es war in Wien, war Vienna, wo er alles tat.“

Die dekadente Hautevollee
Noch expliziter wurde es dann in „Vienna Calling“: „Wien, Wien, du kennst mich up, kennst mich down. Du kennst mich. Wien, Wien, du nur allein.“ Und in „Jeanny“ ist es eine optische Referenz: Im Video ist Falco schwarz-weiß und mit Hut in der Wiener Kanalisation zu sehen – ein Verweis auf den Film „Der Dritte Mann“.

Falcos Wien-Bild ist da schon ein anderes: Nur mehr die dunklen Kanäle, durch die er „Jeanny“ schleppt, stehen als nicht ganz subtiles Zeichen für den urbanen Underground. Falco war persönlich und textlich längst in der Hautevollee der Stadt angekommen. Dekadenz und Korruption auf höchstem Niveau hatte er früher schon in seinen Songs, etwa in „Hinter uns die Sintflut“, thematisiert – doch rückten sie mehr und mehr ins Zentrum.

Schmäh zeigt Abnützungserscheinungen
Der Stern Falco begann zu sinken. Das Album „Emotional“ konnte mit den Vorgänger nicht mehr mithalten, der vom niederländischen Produzentenduo Bolland & Bolland gestrickte Sound wurde glatter und beliebiger. Falcos Wiener Schmäh zeigte Abnützungserscheinungen, die Selbstironie war gewichen, und ob Zufall oder nicht, auch Falcos Wien-Bild wurde plattitüdenhafter. Mit „The Sound of Musik“ versuchte er die ironische Brechung mit dem Österreich-Klischee, von den „Vienna Lipizzanern“ ist da im Text die Rede. Aber es geht sich nicht mehr ganz aus.

Wiener Neustart misslingt
Das Folgealbum „Wiener Blut“ floppte. Mit dem Text des Titeltracks versuchte Falco wohl einmal mehr das „Wienerische“ abzubilden, blieb aber in der Klischeefalle: „Im Steh’n, im Fall’n, im Lieg’n, wir präsentieren Wien“. Im Fall Falco ist es – noch – ein Fallen.

Falco kehrte dann für die nächste Produktion nach Wien zurück und arbeitete wieder mit Robert Ponger, mit dem er seine ersten beiden Alben produziert hatte. Manche Songs könne man nur in Wien schreiben, sagte Falco in einem Interview: „Ich steh auf die Stadt.“ Doch auch das Album „Data de Groove“ floppte. Zu kompliziert, zu verkopft, so die Selbstdiagnose.

Feiern, bevor die Titanic sinkt
Falco wandte sich für das Album „Nachtflug“ wieder Bolland & Bolland zu, mit der Single „Titanic“ konnte er beinahe an alte Erfolge anschließen. Dann wurde es wieder sehr still: private Probleme, Drogen, Alkohol. Unter dem Pseudonym T>>MA veröffentlichte er 1996 den Technoschlager „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“. Von einer Neuerfindung im großen Technoerwachen war die Rede. So weit kam es nicht. Falco starb am 6. Februar 1998 in der Dominikanischen Republik bei einem Autounfall – schwer von Drogen und Alkohol beeinträchtigt.

20 Jahre Nachlassverwertung
Der Rest ist Geschichte: Postum landete er mit „Out of the Dark“ seinen letzten großen Hit. Schon da hatte die Nachlassverwertung im großen Stil eingesetzt – und sie will bis heute nicht abreißen. Vergangenes Jahr hatte, pünktlich zum 60. Geburtstag, das Falco-Musical Premiere – unter reger Beteiligung von Helene Fischer.

Und heuer wurde der 20. Todestag mit einem „Requiem“ im Wiener Stephansdom begangen. Schüler sangen Falco-Hits. Natürlich ist die Frage müßig. Aber ein bisschen interessant wäre es schon, was Falco dazu sagen würde, was in seiner Stadt zu seinem Gedenken passiert.

Autor: ckör, Quelle: ORF.at