Artikel: Falco – war er ein Poet oder doch nur ein Slogan-Autor?

Haben seine Songtexte eine literarische Qualität?
Darüber gehen die Meinungen auch 20 Jahre nach Falcos Tod auseinander.

Was für Wolfgang Amadeus Mozart galt, hat wohl auch für Johann „Hans“ Hölzel alias Falco, dessen Todestag sich heute, Dienstag, zum 20. Mal jährt, seine Gültigkeit: „Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert / Because er hatte Flair“. Diese Textzeilen aus Falcos Welthit „Amadeus“ mögen eine autobiografische Anspielung sein, in jedem Fall sind sie auch Beleg für einen spielerisch- kreativen Umgang mit dem Genre Liedtext. Knappe, eingängige Botschaften, ein Mix aus verschiedenen Sprachen, fallweise auch eine „Lust an Wortneuschöpfungen“, wie es einst Christian Ide Hintze (1953-2012), der Gründer der Wiener Schule für Dichtung formuliert hat. Hat Falco, der Hitparadenstürmer und Popstar, also auch eine literarische Relevanz?

Falco habe eine Sprache gefunden, die weltweit verstanden werde, betonte Hintze in Hinblick auf dessen weltweite Verkaufserfolge. „Ein Phänomen, das es in der Literatur, die Welterfolge vor allem als Ergebnis von Übersetzungen kennt, nicht gibt“, schrieb Hintze im 2009 erschienenen Buch „Falco – Lyrics complete“. Neun Jahre später ist Fritz Ostermayer, Hintzes Nachfolger in der Schule für Dichtung, um Differenzierung bemüht. „Es gab zwischen Christian Ide Hintze und Falco sicher eine gegenseitige Befruchtungsschiene: Der eine wollte nicht nur Dichter, sondern auch Popstar sein, dem Sänger wiederum war die Aura, literarische Qualitäten zu besitzen, ganz und gar nicht unrecht“, sagt der Journalist, Autor und Musiker. Für ihn, Ostermayer, sei Falco ein „sehr guter Slogan- Autor“ gewesen, einer, der auch als Werbetexter vermutlich eine große Karriere hätte machen können. Seine literarischen Qualitäten seien aber „immer schon überschätzt“ worden.

„Er hat zeitgeistige Begriffe gut mit einer PR-Sprache und Elementen aus der New-Wave-Kultur vermixt“, betont Ostermayer, der grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Pop und Literatur – siehe auch die Literatur-Nobelpreis-Verleihung an Bob Dylan – machen möchte. Es gehe nicht um Hoch-, Kommerz- oder Subkultur, sondern einzig und allein um die Qualität der Texte.

„Der Bube fragt den König: ,Ey, Baby, do you wanna dance?‘ Sie machen history, denn sie sind scharf wie nie, the first pre-elected Rock-’n‘-Roll-Band“, heißt es im Falco-Song „The Sound of Musik“. Auch hier: Deutsche und englische Sprache eng ineinander verzahnt, schrille, populäre Bilder, die durchaus Platz für Interpretationen lassen. Christian Ide Hintze, der einst Workshops und Lehrveranstaltungen von, mit und über Falco veranstaltet hat, erkannte einen „Mix aus Schreib-, Sprech-, Sing- und Intonationsweisen“ sowie ein Idiom, für das „Bezeichnungen wie ,Manhattan Schönbrunnerdeutsch‘, ,Austro-Denglish‘ oder ,Word Rap‘ im Umlauf sind“. Vom Sprachwissenschafter Peter Ernst stammt der Begriff „Falconisch“.

Fritz Ostermayer, der auf den Einfluss des mit pointierter Dialektsprache hantierenden Duos Attwenger auf Falco hinweist, hält es für offensichtlich, dass die österreichische Band Bilderbuch Anleihen bei der Textproduktion des Falken genommen hat. „Nicht nur da, auch bei Falcos schlechtem Kleidungsstil“, sagt Ostermayer. Das Alltags- wie Bühnengewand des Popstars sei vermutlich von den Seefestspielen Mörbisch inspiriert gewesen: „Falco war Harald Serafin um einiges näher als Brian Ferry.“ Er, Ostermayer, schätze musikalisch vor allem den späteren Falco, also jenen, der sich in „bombastische Schlagerabenteuer“, aufbereitet vom niederländischen Produzentenduo Rob und Ferdi Bolland, gestürzt habe. Und dafür von manchen zu Unrecht belächelt worden sei. „Das waren schöne, kitschige Balladen im Stil eines Drafi Deutscher.“ Absoluter Songfavorit beim Leiter der Schule für Dichtung? „Jeanny. Eine Kitschorgie der Extraklasse, das Lied ist nur vermeintlich cool.“

Der letzte aufgelistete Song in „Falco – Lyrics Complete“ stammt von Falco und Christian Ide Hintze. Er heißt „Ein Tag“, stammt aus dem Jahr 2002 und ist auch als Hommage an Ernst Jandl zu sehen. „Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheißetag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Tag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheißetag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheiß“, heißt es darin. Für den Co-Autor war der Popsänger ein „Dichter des Papiers und der Feder ebenso wie ein Dichter des Mundes, des Lautsprechers und des Mischpults.“

Quelle: © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2018

Autor: Martin Behr

Artikel erschienen am: 06. Februar 2018