Artikel: Zu Besuch in Falcos Villa


„Von Kunst, Kitsch und Antiquitäten war alles vorhanden“, sagt Ronald Seunig.
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In der Villa in Gars am Kamp steht die Zeit still. Hans Hölzels Rückzugsort zeigt die privaten Seiten des Superstars – und alles ist noch so, wie Falco das Haus kurz vor seinem Tod verlassen hat.

Von Julia Gschmeidler

„Heimat is dort, wo mei Herz ist. Und mei Herz is da“, sagte Falco einst in einem KURIER-Interview über seine Wahlheimat im Waldviertel. Dabei kann man sich die Privatperson Hans Hölzel richtig vorstellen, wie sie auf dem schwarzen Ledersofa im Studio liegt und über neue Texte sinniert. Die Jugendstilvilla in Gars am Kamp war sein Refugium, wo er genug Zeit und Ruhe hatte, private und berufliche Rückschläge zu verarbeiten. „Er brauchte den Abstand zur Szene“, sagt Falcos engster Freund Ronald Seunig, der ihn 1994 in einem Café in Rosenburg kennengelernt hatte. Falco hat manchmal ein paar Monate durchgehend in Gars  verbracht, ohne dass wirklich jemand wusste, dass er hier war.
Mit der hiesigen Bevölkerung hatte er eher wenig zu tun. Jeder kann zwar Alltagsbegegnungen mit Hans Hölzel an der Supermarktkasse oder beim Spazierengehen berichten, engeren Kontakt hatten aber nur die wenigsten. Ein Garser, der mit Hans Hölzel befreundet war, ist Helmut Ranftl. Er hatte dem Popstar eine Alarmanlage installiert und danach weitere Handwerksarbeiten für ihn durchgeführt, daraus ist  eine Freundschaft entstanden. Für ihn war Falco einfach nur „da Hons“. „Er hat dich nie spüren lassen, dass du der Arbeiter bist und er der Superstar, im Gegenteil“, sagt Ranftl. Gemeinsam waren die beiden bei der Graselwirtin in Mörtersdorf Saumaisen essen oder abends  in der Disco namens Whiskeymühle. Nach ein paar Bier oder Schnaps sei er dann auch die Kunstfigur Falco gewesen, die er sonst kaum raushängen hat lassen. Als Privatperson Hans Hölzel sei er ganz liebenswürdig gewesen, wenn er die Kunstfigur Falco gespielt hat, eher ein Ungustl, hört man die Garser Bevölkerung  mauscheln.

Stadtflucht

Ins Kamptal hat es Falco durch Willi Dungl verschlagen, der hier sein Gesundheitszentrum betrieben hat und vor allem bei prominenten Gästen beliebt war. Mit ihm habe er auch ein Vater-Sohn-Verhältnis gehabt,  ihm manchmal neue Songs vorgespielt, erzählt Dungls Tochter Andrea Zauner-Dungl in einem Interview. Es kam auch vor, dass sich Falco gleich mehrere Monate im Hotel einquartiert hatte, auch wenn er manchmal wegen exzessiver Trinkgelage rausgeschmissen wurde. Bis ihm die Hotelaufenthalte zu kostspielig wurden. „Er wollte das Geld, das er beim Dungl gelassen hat, umlenken und sich davon ein Haus kaufen“, sagt sein Weggefährte Seunig. Nach dem Kauf der Adamsvilla und des 4000 Quadratmeter großen Gartens mit direktem Zugang zum Kamp und Blick auf die Burgruine, hat Falco die Villa noch komplett renovieren lassen. Wände wurden umgerissen, das Tonstudio im Erdgeschoß eingebaut.

Was beim Rundgang durch das dreistöckige Haus auffällt: Vor allem die Sanitäranlagen und die Küche wirken modern und lassen ihr wahres Alter nur erahnen. „Wenn man Falco ist, kauft man voraus“, sagt Wolfgang Kosmata, Beirat der Falco-Privatstiftung, während er durch die Villa führt. „Es ist alles original, es wird nur abgestaubt“, sagt er weiter. Die Villa wird mehrmals jährlich gereinigt, um Reparaturarbeiten und die Pflege des Gartens kümmert sich das Personal des Excalibur-City-Gründers Ronald Seunig. Kein Staubkorn ist zu finden, es wirkt, als würde der penible Ordnungsfan Hans Hölzel hier noch immer seine Freizeit genießen. Denn in Gars hatte er Ruhe vor Fans, ging joggen und ist mit seiner Vespa herumgefahren. Gemeinsam mit Seunig war er mit seinem Pajero im Wein- und Waldviertel unterwegs. „Manchmal haben wir vor einem besonders verzierten Tor angehalten und die einfache Kunst bewundert“, ruft sich Seunig die damalige Zeit in Erinnerung.

Aus der Zeit gefallen

Wie sich der technische Wandel in den vergangenen 20 Jahren vollzogen hat, ist vor allem an den VHS-Kassetten und den gewichtigen Röhrenfernsehgeräten zu sehen. Auch am Studioequipment nagt der Zahn der Zeit. Hier, neben Bambi, Bravo-Otto, Echo und unzähligen Gold- und Platinauszeichnungen, hat Falco Songs wie „Out of the Dark“ aufgenommen, selten auch Musikerkollegen eingeladen. So wie das Produzenten-Duo Kruder & Dorfmeister, das 1997 in Gars war, um eine Kollaboration zu besprechen. „Es war beeindruckend, einen so charismatischen und gleichzeitig extrem unterhaltsamen Künstler persönlich kennen zu lernen“, erinnert sich Richard Dorfmeister an das Treffen. Zu der angedachten Zusammenarbeit ist es aber nicht mehr gekommen, da Falco kurz darauf den tödlichen Autounfall in der Dominikanischen Republik hatte. Dorfmeister hat Hans Hölzel als großes Talent wahrgenommen. „Er war sprachlich so gut und witzig, da war er sicher auf einem ganz anderen Level“, sagt Dorfmeister.

Wie sprachenverliebt Falco wirklich war, zeigt das große Bücherregal in seiner Villa. Hier stehen Werke von Umberto Eco, Thomas Mann, Hermann Hesse  sowie das Tagebuch von Manfred Deix. Dabei hat Falco auch seine eigene Sprache entwickelt. In seinen Liedern wie privat hat er die für ihn typische nasale Redensweise des „Manhattan-Schönbrunner-Deutsch“ gepflegt, wie sein damaliger Freund Ranftl erzählt. Redewendungen wie „Wos mocht er denn, wos red er denn, wer glaubt er, dass er is“ aus dem Songtext zu „Egoist“ hat Falco auch im Alltag verwendet.  Im Wohnzimmer stehen für die Wortschöpfungen der Duden für Zitate und Sprüche sowie ein Bedeutungswörterbuch präsent auf der Kommode.

Auch musikalisch war Hölzel breit aufgestellt, im Studio sind CDs von The Cure, Rage Against The Machine, Elton John und Harri Stojka zu finden. Bei den Songs, die Falco im Garser Studio aufgenommen hat, konnte  es auch  einmal lauter werden, was seiner  Mutter nicht behagte. Dann passierte es, dass sich Maria Hölzel, die auch ihr eigenes Reich in der Villa hatte, über die  Musik beschwerte.  „Maria hat Gars ebenso gemocht wie der Hans. Und immer wenn sie sich auf die Nerven gingen, ist sie wieder zu ihren Freundinnen nach Wien gefahren. Insgesamt hatten sie ein enges Verhältnis“, sagt Seunig. Für diese vertraute Beziehung spricht auch, dass Maria ihren Sohn als „mein Superstar“ bezeichnete.

Kontrastreiche Einrichtung

Das Zimmer, das Maria Hölzel bewohnt hat, fügt sich mit dem Kronleuchter und dem üppigen Blumenbouquet in den kunterbunten Stil ihres Sohnes ein. „Ich nannte es, aus jedem Dorf einen ‚Hund‘. Von Barock über Biedermeier und Jugendstil, dann ein Nitsch und andere ‚Kunstwerke‘ an der Wand. Von Kunst, Kitsch und Antiquitäten war alles vorhanden“, schildert Seunig den Einrichtungsstil seines engen Freundes. Im Schlafzimmer zeugen der Wandteppich, weiße  Spitzenvorhänge, die von Seunig aus Australien mitgebrachten Bumerange und die pastellfarbenen Kissen von diesem Stilmix.

Im angrenzenden Badezimmer dominiert hingegen die Farbe Weiß, nur die Armaturen sind vergoldet. Im begehbaren Kleiderschrank dann wieder das farbenfrohe Kontrastprogramm: Hier hängen bis unter die Decke die bunten Hemden, Krawatten und seine Bühnenoutfits. Exzentrisch mutet auch eine eingerahmte Rechnung aus dem Wiener Traditions-Café Hawelka im Stiegenhaus an, auf welcher der Kellner für Falcos Feier zu seinem 30. Geburtstag 16.500 Schilling verrechnet. Daneben hängen die handschriftlichen Geburtstagsgrüße von Tina Turner. Alles ein bisschen exaltiert eben, in Falcos Leben.

Das spiegelt sich auch in seinem Wohnstil wider. Dann gibt es aber auch noch die bodenständigen Elemente in Hans Hölzels Heim, wie die beiden blumenbemalten Tassen, auf denen jeweils „Hansi“ und „Maria“ steht – ein weiteres Zeichen für die Verbundenheit von Hans Hölzel zu seiner Mutter.

Zukunftspläne

Die Villa, die seit dem Tod von Maria Hölzel im Eigentum der Falco Privatstiftung steht, soll auch in Zukunft nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ein  Falco-Museum wird es also nicht geben. „Die Villa bleibt auf jeden Fall so wie sie ist“, weist Vorstandsvorsitzender Seunig Gerüchte von sich. Dass es ein Vorhaben gibt, bestätigt jedoch Beirat Wolfgang Kosmata. Seit 1,5 Jahren arbeite man schon an einem Projekt, für das es noch einige Hürden zu bewältigen gäbe. Ein reines Museum schließt aber auch er aus, vor allem weil die Villa so an Wert verlieren würde. „Du musst was bieten, wo die Attraktivität zeitlos ist“, sagt Kosmata.

Der Garser Bürgermeister Martin Falk bestätigt diese Vorgehensweise. „Es geht in Richtung Zubau und dass man zusätzliche Programmpunkte anbieten kann, also in Richtung Nachwuchsförderung.“ Konkretes möchte aber auch er nicht sagen. Gewiss ist jedenfalls, dass die Gemeinde von einem derartigen Vorhaben profitieren würde, denn Falco ist nicht nur im Jubiläumsjahr 2017, in dem er seinen 60. Geburtstag gefeiert hätte, omnipräsent, sondern auch für die nächsten Generationen. Oder wie Hans Hölzel selbst sagte: „In Wien musst erst sterben, dass dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang.“

Am diesjährigen Donauinselfest spielt Falcos Originalband als Headliner auf der Radio-Wien-Festbühne am Samstag, den 24. Juni, die exakt gleiche Songliste wie bei deren legendären Konzert 1993 vor 130.000 Fans auf der Insel.

Die Villa mit 4000 m² Grundstück in Gars hat Falco nach dem Kauf komplett renovieren lassen.

Originalartikel: Julia Gschmeidler / Kurier