FALCO rauscht wieder im Gebälk – „ROCK ME AMADEUS – Das Falco-Musical“

Szenenfoto: Medienprobe © Thomas Unger

Mit „ROCK ME AMADEUS“, dem neuen Falco-Musical steht seit 7.10.2023 im Wiener Ronacher eine imposante Hommage an Österreichs größten Popstar auf dem Programm. Die Reaktionen des Publikums sind allabendlich frenetisch. Die Vorstellungen ausverkauft. Offenbar s(chw)ingt da etwas, das sich extrem nach Falco anspürt, auch wenn es im Jahr 2023 als Musical daherkommt. Oder vielleicht gerade deshalb. Gedanken von Amadea S. Linzer (falco.net)

Hans Hölzel:

„Er hat […] ein Talent, aus dem Stand einen Quantensprung zu machen. Also was machen wir mit ihm? Wir trauen ihm jederzeit zu, dass er herumdümpelt in den diversen Gazetten, jahrelang! Und alles, was man von ihm hört, ist lauwarm, fad, Mittelmaß, abgedroschen und irgendwie stinklangweilig. Und dann kommt er um die Ecke und es rauscht wieder im Gebälk.“

Falco über sich selbst (1996)

Zur Zeit rauscht es gewaltig. Falco war in den letzten 25 Jahren nie wirklich weg. Umso bemerkenswerter sind die Events, in denen er sich posthum immer noch bühnenwirksam inszenieren lässt, wenn man es so sagen kann. Und man kann es so sagen, denn die Kunstfigur Falco hat ihren Erschaffer Hans Hölzel erfolgreich überlebt. Das spiegelt der aktuelle Hype der Marke FALCO an mehreren Stellen. Eine davon ist zur Zeit das Wiener Ronacher. Hier steht seit 7. Oktober das in Summe vierte Falco-Musical am Programm.

Was für einige immer noch unvereinbar scheint, haben die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) im Oktober 2023 ein Mal mehr auf eine Musical-Bühne gebracht, nämlich die Story des Exzentrikers Falco, der mit seinem Nummer-Eins-Hit in Amerika historische Musikgeschichte geschrieben hat. Das allein war bereits mehrmals Stoff für ein Musical.

Foto: © Christoph Doppler

Neu ist bei bei dieser Produktion der psychologische Blick, mit dem die Geschichte erzählt wird. Während die Fernseh-Dokumentationen der letzten Jahre bereits viel zur Aufklärung der Künstlerperson beigetragen haben und man meinen könnte, dass über FALCO/Hans Hölzel nun wirklich schon „alles gesagt“ sei, ist am Theater noch ein weiterer Schritt möglich: die fiktive Vergrößerung einzelner Aspekte. Genau dieser Möglichkeit bedienen sich die Produzenten dieses Musicals. Der Autor/Intendant der VBW Christian Struppeck und Regisseur Andreas Gergen betonen, dass sie nicht so sehr die Kunstfigur, sondern den Menschen dahinter zeigen wollen.

Tatsächlich ist in der Inszenierung von Struppeck/Gergen die Zerrissenheit zwischen der Person Hans Hölzel und seinem Alter Ego Falco eindrucksvoll herausgearbeitet. Dazu hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen.

“ROCK ME AMADEUS – Das Falco-Musical“ rollt die Lebens- und Erfolgsgeschichte von Hans Hölzel in einer überwältigenden Gesangs-, Tanz- und Bühnenshow auf, die das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhält, berührt und energetisiert. Die meisten Songs stammen aus dem Repertoire der von Rob & Ferdi Bolland produzierten Falco-Hits. Das holländische Brüderpaar hat zusätzlich für das Musical vier neue Lieder komponiert, die dramaturgisch Falcos Lebensgeschichte vertiefen.

Das „Jukebox-Musical“, wie es in den Kritiken definiert wurde, besteht in Summe aus 23 vertrauten Ohrwürmern, darunter natürlich die bekanntesten Hits, die sich von „Nie Mehr Schule“, „Helden Von heute“, „Junge Roemer“, „Vienna Calling“, „America“, „Sound Of Musik“, „Jeanny“ bis „Out Of The Dark“ zum Großteil chronologisch aneinander reihen.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

Den Höhe- und Wendepunkt bildet der Welthit „Rock Me Amadeus“, der die Verschmelzung der Klischees von Mozart und Falco akustisch wie optisch beeindruckend vor Augen führt. Zwischen den powervoll performten Songs lassen pointierte Dialoge und dramaturgische Details jede Menge Falco-Zitate erkennen. Man hat sich also wirklich intensiv mit dem Original beschäftigt. Das Orchester der VBW bringt die Musik in einer mitreißenden Form zu Gehör. Die Arrangements tun dem Originalwerk nicht weh. Man hört Vertrautes und lässt sich doch auf Neues ein. So auch im Gesang.

Bei Falco-Produktionen ist man geneigt, nur auf den Hauptdarsteller zu achten nach dem Motto: Wie gut kann er Falco? An dieser Frage sind in der Vergangenheit manche Darsteller hängen geblieben und haben sich in Attitüden und Gesten verlaufen. Diese Produktion hat den Anspruch tiefer zu gehen. Ein Vierteljahrhundert nach dem Tod von Hans Hölzel wirkt das Musical nicht nur als ein Gang durch seine persönliche Hitparade, sondern als ein mutiger Weg in die psychische Tiefe der Künstlerseele. Hier begegnen wir dem sensiblen Wesen, das nach außen arrogant daherkommt, aber innerlich viel zu wenig an das eigene Talent glaubt, sodass Selbstzweifel, Ängste und Depressionen überhand nehmen.

Falco… ein Mensch, dessen Charakter oder dessen innerer Mut nicht auf einen so internationalen Ton gestimmt war wie sein Talent“,

hat André Heller einmal elegant formuliert.

Die Story ist bekannt: Mit zunehmendem Erfolg des Falken steigt auch der Druck auf den Menschen Hans Hölzel, der als Weltstar funktionieren muss, aber privat eigentlich nichts lieber als ein „einfaches Leben“ mit Frau und Kind führen will. In diesem Konflikt wurzeln seine hinlänglich bekannten Exzesse, die dem „Ungeheuer, das er sich herangezüchtet hat“, geschuldet sind, wie Hans Hölzel selbst sein Alter Ego einmal in einem Interview (1988) bezeichnete.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

Der „neue Falco“
Der Hauptdarsteller Moritz Mausser ist Gott-sei-Dank kein Falco-Imitator, wohl aber ein Schauspieler, der Gestik und Mimik des Originals gut studiert hat. Und ja, er kann Falco, ohne selbst den Anspruch zu erheben, dieser zu sein. Das macht ihn sogar für die kritischen Falco-Fans in dieser Rolle akzeptabel und für den Rest der Welt sehr sympathisch. Zudem sieht er dem echten Hans aus den Jahren 1979-1982 in manchen Momenten tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Aber darum geht es gar nicht.

Moritz Mausser kann die schwierigen Songs erstaunlich gut interpretieren. Seine Stärke liegt in der Gesamtdarstellung der Figur. Er macht uns kein peinliches Theater vor. Er übertreibt nicht. Er verkörpert die Attitüden ohne Überheblichkeit. Das ist alles nicht so einfach, bedenkt man die originären Handbewegungen und speziellen Gesten, die zur Figur dazugehören.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

Im Unterschied zum echten Falco, der ein plutonischer Typ war, ist Moritz Mausser ein venusischer Typ. Er ist ästhetisch, charismatisch und wirkt nie unangenehm. Das alles war Hans Hölzel im nüchternen Zustand auch. Seine Schattenseite, das Bezwingende, Durchdringende, Obsessive – mit einem Wort: die Abgründe werden von der Rolle des „Alter Ego“ dargestellt. Diesen Part übernehmen Alex Melcher bzw. sein Cover Charles Kreische. Sie verkörpern den Diobolus, den Mephisto, den Verführer, the „Asshole“, zu dem Hans im alkoholisierten Zustand der Überlieferung nach zunehmend mutierte.

Diese Aufteilung in Licht und Schatten, in Gut und Böse, dieses „Jekyll und Mr. Hyde“-Syndrom hat das Phänomen Falco ausgemacht, nachdem ihm der Erfolg – im wahrsten Sinne des Wortes – zu Kopf gestiegen ist. Der Kampf der beiden Aspekte wird im zweiten Teil des Musicals bildlich dargestellt.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

Regisseur Gergen lässt zu diesem Zweck einen überdimensionalen Kopf auf der Bühne erscheinen, der am Höhepunkt von Falcos Karriere aus dem Untergrund auftaucht und die opulente Bilderflut stört. Damit wird die Handlung um eine surreale Ebene erweitert. Zunächst sieht man den Kopf nur von der Vorderseite. Als Manager Horst schlechte Nachrichten übermittelt und vom ausbleibenden Erfolg berichtet, dreht sich der Kopf und zum Vorschein kommt die innere Gegenstimme des kreativen Genies. Im Musical tritt er als „Alter Ego“ auf. Es könnte auch ein Dämon oder der Teufel sein.

Damit hat der zerstörerische Aspekt von Hans‘ Gestalt angenommen. Es ist der Aspekt, der seinem Erschaffer zunächst leise Zweifel einflüstert, ihn dann umkreist, manipuliert, zunehmend zu Drogen und Exzessen verführt und letztlich zu den Klängen von „Coming Home“ ganz zu sich „heimholt“. Auf der Bühne wie auch im realen Leben erliegt Hans schließlich seinen inneren Dunkelkräften. Aber der Tod ist nicht das Ende, sondern der Übergang in eine andere Ebene: „Into the Light“.

„Out of the Dark“ (1998)

Auch wenn das Lied „Out Of The Dark“ nachweislich in den Jahren vor dem Unfalltod als Drogenlied konzipiert wurde, ist die metaphysische Ebene des Songs nicht wegzudenken. So bildet auch in dieser Inszenierung grelles weißes Licht am Anfang und am Ende des Musicals einen Rahmen und deutet an, was im Text vorausgesagt wird: „Gestern, heut‘ und morgen. Dann schließt sich der Kreis“.

Neben „Out Of The Dark“ wird in dieser Produktion auch der ursprünglich als Jeanny-Fortsetzung konzipierte Song „Coming Home“ in einem metaphysischen Kontext interpretiert. Zum Missfallen seines Managers Horst Bork hat sich der echte Falco immer wieder auf die inhaltliche Offenheit seiner Texte berufen. Für Bork war Falco als Texter zu wenig konkret, zu rätselhaft, zu frei interpretierbar. Diese offene Art zu dichten erlaubt es aber, manche seiner Texte in einen erweiterten Kontext zu transferieren. Neben „Out Of The Dark“ ist auch „Coming Home“ ein Falco-Song, der metaphysisch gelesen werden kann und in diesem Musical am Ende passend eingesetzt wird.

Die vier neuen Songs aus der Feder von Ferdi Bolland („Leb Deinen Traum“, „Du Bist Mein Zuhaus“) und Rob Bolland („Ein Weißes Blatt Papier“, „I Am You“) wirken im Gesamtflow wahrlich wie musikalische Fremdkörper. Aber sie stören nicht. In der Dynamik des Geschehens erlauben gerade diese Passagen ein Durchatmen und emotionales Mitschwingen. Natürlich stellt sich die Frage, ob man für diese Szenen nicht Liedgut aus dem Oeuvre von Falco hätte einsetzen können. Hätte man bestimmt. Andererseits wird genau an diesen vier Songs offenbar, was Falco textlich niemals war: sanft und soft.

Intendant C. Struppeck/Regisseur und A. Gergen im Gespräch mit Markus Spiegel (Medienprobe), Foto: © Thomas Unger

An Hans Seite wirken auf der Bühne jene Personen, die auch im realen Leben seinen Werdegang begleitet haben. Dazu gehören der legendäre Entdecker Markus Spiegel (Franz Frickel), der sogar die Produktion als „Konsulent“ begleitet hat; sein Manager Horst Bork (Andreas Lichtenberger) und natürlich sein langjähriger Freund Billy Filanowski, der als private Stütze den Falken immer wieder auf die gesunde Spur zurückgebracht hat. Sie alle bilden einen authentischen Raster der Story, die sich im Großen und Ganzen an die Biographie hält.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

So sind auch die beiden weiblichen Rollen klar herausgearbeitet: Auf der einen Seite die strenge Mutter, auf der anderen Seite ihre Gegenspielerin Isabella (Katharina Gorki). Sie steht exemplarisch für einige Frauen in Hans‘ Leben, denen es emotional gelungen ist, ihn für sich zu gewinnen, ohne eine dauerhafte Beziehung führen zu können. Beide Frauenrollen sind starke Charaktere, die auch im realen Leben in Konkurrenz zueinander standen. Tania Golden verleiht der Rolle der Maria einen herrlich erdigen Humor. Das Bühnenbuch überspitzt ihre Dominanz und erzeugt gelungene Pointen, wenn die mütterliche Strenge auf die unbändige Lebenslust des Sohnes trifft.

Abgesehen von Musik, Gesang und Tanz ist auch die bühnentechnische Umsetzung bemerkenswert. Die Hauptbühne bildet ein Mosaik aus Spiegeln im Kachelsystem, das die Zerrissenheit Falcos eindrucksvoll sichtbar macht. Darin fungieren verspiegelte Boxen als bewegliche Bühnenelemente, die sekundenschnell hin- und her geschoben werden. Parallel dazu spielt sich das Geschehen in kleinen, käfigartigen Räumen ab, in denen einzelne Szenen aufploppen oder von der Seite eingeschoben werden. Bühnenelemente sind permanent in Bewegung.

All das ist von der ersten bis zur letzten Minute in eindrucksvolle Visuals eingebettet. Sie erzeugen einen phantasmagorischen Wirkraum, der das Bühnengeschehen dekoriert, illustriert und die Inhalte effektvoll ausstaffiert. Diese visuelle Flut übermittelt nicht nur optische Zitate der Achtziger Jahre, sondern übt für das analoge Auge eine berauschende Wirkung aus.

Szenenfoto: „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical 2023“ © VBW / Deen Van Meer

In Summe lässt sich sagen
Es ist nicht ein einzelner Faktor, der an dieser Inszenierung gelungen ist, es ist die Summe der Faktoren, die aus dieser Produktion höchstwahrscheinlich einen Welterfolg machen werden. Für die einen mag es ein unterhaltsamer Abend sein. Für die anderen ist es ein erstaunlicher Einblick Falcos Leben. Für Falco-Kenner ist es eine energetische Ladung mit intensiver Wirkung. Wenn am Ende das „Weiße Licht“ die Bühne flutet und eine gespenstische Stille herrscht, sind die Emotionen im Publikum deutlich fühlbar. Aber trotz der Tragik, die der Lebensgeschichte von Falco innewohnt, gelingt der heikle Spagat zwischen Unterhaltung und Berührung in wunderbarer Weise. Man verlässt das Ronacher nicht weinend, wohl aber um bewegte Eindrücke reicher, die das Leben von FALCO/Hans Hölzel musikalisch wie menschlich nachklingen lassen.

Foto: © Manfred Cobyn

Was würde Falco dazu sagen?
Die oft gestellte Frage, die die dieses Musical wie ein Mantra begleitet, nämlich was ER wohl dazu sagen würde, ist leicht beantwortet. Abgesehen davon, dass diese große Inszenierung seinem Wesen sehr entspricht, hat Hans Hölzel die Kunstfigur Falco nicht nur in Höhen und Tiefen erfahren, sondern selbst immer wieder kritisch hinterfragt. Zu diesem Thema erwähnt er in mehreren Interviews Gespräche mit seinem „Psychiater“, den er zwar aus anderen Gründen konsultiert haben mag, aber inhaltlich zum Thema Persönlichkeitsspaltung gerne zitiert hat.

Auch wenn diese Aussagen von ihm immer mit einem selbstironischen Unterton erfolgt sind, beinhalten sie einen wahren Kern. Die ersehnte Befreiung von Dämon Falco ist dem realen Hans im irdischen Leben nicht mehr gelungen. Insofern hätte nicht nur die künstlerische Umsetzung seiner Lebensgeschichte, sondern vor allem die eindrucksvolle Darstellung seiner inneren Zerrissenheit dem sensiblen und suchenden Geist, der er war, zutiefst berührt, um nicht zu sagen „heilsam“ gewirkt.

Falco bleibt in seiner Musik lebendig. Spätestens wenn am Ende Foto-Fragmente von Hans Hölzel eingeblendet werden, ist sein Spirit spürbar präsent. Es ist, als würde er von oben herunterschauen und sich für ein paar Augenblicke so zeigen, wie er hinter seiner Lebensbühne war: nachdenklich, mitfühlend und vorausschauend. Alleine dafür mögen die Standing Ovations nie aufhören…

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Text: Amadea S. Linzer / redaktion@falco.net


FALCO.NET LINK:

ALLE VIDEOS zur Weltpremiere:
Das Falco-Musical „Rock Me Amadeus“ im Wiener Ronacher

Plakat Ronacher (VBW)

Ronacher Wien
Seilerstätte 9
1010 Wien

Info/Tickets:
www.musicalvienna.at