Interview: Horst Bork über 60 Jahre Falco

60 Jahre Falco: „Was soll ich mit Madonna?“

Horst Bork, langjähriger Manager von Falco, im TT-Gespräch über verpasste Chancen und den Druck, der für den Hit „Rock Me Amadeus“ nötig war:

Sie waren 15 Jahre lang Manager und Freund Falcos. Haben Sie sein Potenzial eigentlich gleich erkannt?

Hans Bork: Er ist damals zu mir nach Hamburg gekommen und hat mir seine erste Produktion vorgespielt. Er dachte, der große Hit sei der Song „Helden von heute“. Das klang zwar ganz nett, aber hat mich nicht umgehauen. Mehr aus Verzweiflung habe ich nach der B-Seite gefragt und er sagte: „Da geht es aber um Drogen und einige Takte sind gestohlen.“ Das war „Der Kommissar“, so begann unsere Zusammenarbeit.

Der „Kommissar“ erinnert an den Rick- James-Hit „Superfreak“, hat es da nie Probleme gegeben?

Bork: Das sind ja nur drei oder vier Takte. Keiner hat je Ansprüche gestellt, vielleicht haben wir auch Glück gehabt.

 Zu „Rock Me Amadeus“ habe ihn sein Management gezwungen, sagte Falco, dem der Song zunächst zu blöd war. Warum denn?

Bork: Er hat immer gesagt: „Ich kann als Wiener doch nicht über den Mozart singen.“ Damals war ja auch dieser „Amadeus“-Film sehr erfolgreich und er wollte nicht auf diesen Zug aufspringen. Bis zum letzten Tag hat er sich geweigert und dann kam die Ansage: „Wir probieren es und wenn es nichts ist, werfen wir es wieder weg.“ Das haben wir zum Glück nicht gemacht.

Zur Zusammenarbeit mit Madonna oder dem Virgin-Plattendeal mit Richard Branson konnten Sie Falco nicht zwingen.

Bork: Man hat schon immer versucht, Druck auszuüben, aber sie können einen Künstler nicht permanent strapazieren. Wenn einer dreimal absichtlich den Flieger versäumt — was den Virgin-Deal verpatzt hat — oder wenn jemand keine Lust hat, mit Madonna ein Duett zu singen, was soll ich da machen? Als Manager muss man das abhaken und — so schwer es im Moment fällt — sagen, o. k. wir machen was anderes.

War es Größenwahn oder Minderwertigkeitskomplex, was Falco zur Absage an Madonna bewogen hat?

Bork: Er war damals in Gars am Kamp bei Willi Dungl, wo er sich immer wieder erholt hat. Er hatte schlicht und einfach keine Lust. Er sagte nur: „Was soll ich mit der singen? Ich mog nit.“ Damit war das erledigt.

Wenn auch nicht in den USA, so wurde „Jeanny“ doch in Deutschland zum großen Hit. Wie kalkuliert war der Skandal?

Bork: Groß geplant war nichts, höchstens, das Ganze im Ungewissen zu lassen. Jeder kann selbst rätseln, was da passiert. Der Text liest sich ja so harmlos wie ein Telefonbuch, das Bedrohliche war im Video. Das große Glück war damals ein großes Unglück. Die beiden Kinder des TV-Journalisten Dieter Kronzucker wurden entführt, Kronzucker hat das „Jeanny“-Video im „ZDF heute“-Journal gezeigt: 2.30 Minuten im Hauptabendprogramm, das hat den Hit in Deutschland so groß gemacht. Nach der Zahlung von 4,3 Millionen Lösegeld kamen die Kinder, Gott sei Dank, wieder frei.

Als sich Falco einmal aus dem Fenster stürzen wollte, sagten Sie: „Spring doch, tote Künstler verkaufen sich besser.“ Als er 40-jährig gestorben ist, hatte er seinen künstlerischen Zenit überschritten. Glauben Sie, wäre da noch was gekommen?

Bork: Falco war eigentlich immer für einen Hit gut, er hat ja immer wieder große Hits und große Flops gehabt. Er hätte genügend Substanz gehabt, um auch in späteren Jahren immer wieder Hits zu landen. Er war ein großartiger Künstler, darum ist er nach wie vor so angesagt.

Sie waren Berater für das Falco-Musical. Was hätte Falco, der so erfolgreich zwischen Kunst und Kitsch changierte, zu so einem Musical gesagt?

Bork: Ich glaube, dass er sich sehr gefreut hätte. Er hätte kapiert, dass wenn über jemanden ein Musical kommt, etwas Großes passiert sein muss. Das hätte ihn sicher in seiner Eitelkeit gekitzelt.

Das Interview führte Silvana Resch.


Sterben, um zu leben

40 Millionen Tonträger hat Falco laut seiner Plattenfirma Sony weltweit verkauft, wie viel davon nach seinem Tod abgesetzt wurden, darüber gibt es keine Auskunft.
Aus dem nach seinem tragischen Unfall eilig zusammengestöpselten Album „Out of The Dark (Into the Light)“, an dem Falco zuvor jahrelang gebastelt hatte, war künstlerisch zwar kein Kapital zu schlagen, ein ungeheurer Verkaufserfolg wurde es trotzdem: Drei Wochen nach seinem Tod stand es in den Regalen, zwei Millionen Mal soll es über den Ladentisch gegangen sein. Wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau so ließ „Hoch wie nie“, die Best-of-Compilation, die anlässlich des 50ers von Falco veröffentlicht wurde, doch die Kassen klingeln. Es gab Dreifach-Platin für 60.000 verkaufte CDs und Doppel-Platin für mehr als 20.000 DVDs.

Im anhaltenden Hype um den neuen Austropop — dank Bands wie Wanda und Bilderbuch, die Falcos Erbe angetreten sind — darf mit weitaus höheren Absatzzahlen gerechnet werden: Diesen Freitag erscheint das Gesamtwerk „Falco 60″, das unter anderem mit einem Parov-Stelar-Remix von „Vienna Calling“ aufwarten kann. Großmäulig wie Falco selbst rät Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst jedoch vom Kauf ab: „Damit gewinnt das Musikbusiness gegen eine junge Band, die versucht, was weiterzubringen“, schließlich wird auch das neue Bilderbuch-Album am Freitag veröffentlicht.

Dass Falco für den österreichischen Pop nach wie vor maßgebend ist, bestreitet niemand. Thomas Jarmer von der Indie-Band Garish, selbst „nicht einmal großer Fan“, lobt etwa „das gekonnte Jonglieren mit Sprachen und Rhythmus. Es sind sehr große Dimensionen, die Falco aufgemacht und bis heute zugänglich gemacht hat.“

Falco lebt nicht nur in seiner Musik weiter. Abgesehen von den zahlreichen Dokus und Filmen, die dieser Tage zu sehen sind, erscheint auch eine Sonderbriefmarke. Und „Falco“, die Musical-Biografie, die dem „größten Genie der deutschsprachigen Pop/Rap-Geschichte“ gewidmet ist, ist auf großer Tour. Am 21. April steht Innsbruck am Programm, zuvor wird in Rosenheim (27. März) und Salzburg (28. März) Halt gemacht.


Er war ein Virtuose, war ein Rockidol

  • Nach einem kurzen Zwischenstopp am Wiener Musikkonservatorium spielte Bassgitarrist Hans Hölzel in den 1970er-Jahren bei der Hallucination Company und Drahdiwaberl. Unter seinem Künstlernamen (nach dem Skispringer Falko Weißpflog) trat er auch als Sänger ins Rampenlicht: Der Song „Ganz Wien“, der sich auf der ersten Soloplatte „Einzelhaft“ (1982) fand, wurde zum Riesenerfolg. Die Singleauskoppelung „Der Kommissar“ landete in mehreren europäischen Ländern an der Spitze der Charts, sie verkaufte sich weltweit sieben Millionen Mal.
  • Mit „Rock Me Amadeus“ landete Falco als erster und einziger deutschsprachiger Popmusiker an der Spitze der US-Charts. Der Song war auf dem dritten Album „Falco 3″ erschienen, auf dem weitere Hits wie „Vienna Calling“ und „Jeanny“ sind. Nachdem es um Falco nach dem mäßig erfolgreichen Vorgänger „Junge Römer“ ruhig geworden war, hatte ihn sein Manager überredet, bei den niederländischen Erfolgsproduzenten Bolland & Bolland aufzunehmen. Eine gute Entscheidung: Das Album „Falco 3″ landete auf Platz drei der US-Billboard-Charts.
  • An seine Glanzzeiten konnte Falco mit folgenden Arbeiten wie „Emotional“ (1986), „Wiener Blut“ (1988) oder „Nachtflug“ (1992) nicht mehr anschließen. Am 6. Februar 1998 starb Johann Hölzel im Alter von 40 Jahren nach einem Autounfall in der Dominikanischen Republik. Das posthum veröffentlichte Album „Out of the Dark“, an dem der Falke bis zuletzt gearbeitet hatte, wurde ein Verkaufs-Hit. Mit „Verdammt wir leben noch“ (1999) sowie „The Spirit Never Dies“ (2009) sollten noch zwei Platten mit teils unveröffentlichtem Material auf den Markt kommen.

 

Bericht: Tiroler Tageszeitung (TT)