Sein letztes Konzert spielte Falco im Anzug von Thomas Rabitsch. Der Musikproduzent war 20 Jahre lang Falcos Freund. Zum 60. Geburtstag des Stars erzählt er von ihm und davon, dass Drahdiwaberl und „Dancing Stars“ kein Widerspruch sind
Als Hans Hölzel im Februar 1998 starb, kannten Sie einander über zwanzig Jahre. Erzählen Sie uns von Ihrem letzten Treffen?
Das war 1997 in den Sofiensälen bei einem Kurz-Auftritt bei der Weihnachtsfeier der Lauda Air. Nach dem Soundcheck war es sieben Uhr. Um neun Uhr sollte der Auftritt sein. Da sagte Falco, er müsste noch nach Gars am Kamp in sein Haus fahren, er hätte seinen Bühnenanzug vergessen. Ich hab ihn überredet, lieber zu mir nach Hause zu kommen und einen Anzug von mir zu nehmen, statt nach Gars zu hetzen. Wir sind in seinem Pajero (Anm.: das Auto, in dem er verunglückt ist) zu mir gefahren. Er hat den Anzug probiert, ein bisserl zu groß war er ihm. „Passt scho“, hat er gesagt. „Ich lass ihn nach dem Gig reinigen und meine Mutter schickt ihn, dir, weil ich flieg übermorgen in die DomRep.“ Seine Mutter hat mir den Anzug dann bei seinem Begräbnis zurückgegeben. Das war berührend für mich – auch, dass er seinen letzten Gig ausgerechnet in meinem Anzug gespielt hat. Damals haben wir übrigens das erste und letzte Mal „Out Of The Dark“ live gespielt.
Anlässlich runder Jubiläen melden sich immer viele Freunde Falcos zu Wort. Wie sehen Sie Ihre Beziehung?
Eine Jugendfreundschaft. Als wir uns 1977 kennengelernt haben, waren wir beide 20 Jahre alt. Er war Student am Konservatorium. Wir haben zusammen in Bands gespielt. Junge Buam, die die Welt erobern wollten. Das war vier Jahre vor dem „Kommissar“.
Dann wurde aus Hans „Falco“. Was hat das verändert?
Das war ein großer Einschnitt für ihn. Fünf Jahre war er vorher in dieser Musikszene, wo jeder jeden kennt. Dann kommt plötzlich der Erfolg. Er war gerade 25 Jahre alt und fuhr auf weltweite Promotion-Tour bis nach Australien. Ein dreiviertel Jahr war er weg. Zurückgekommen ist er als Star. Die Freunde von früher waren damals in zwei Lager gespalten. Die, die gesagt haben: „Der hat es geschafft, den pumpen wir um Geld an.“ Ich gehörte zu denen, die ihn in Ruhe gelassen haben. Ich wollte klarstellen, dass ich nichts von ihm will. Später hat er eine Band gebraucht, und da haben wir uns alle wieder gefunden. Er wollte mit Leuten spielen, die er von früher gekannt hat, denn sein Misstrauen war klarerweise groß.
»Sein Erfolg als Falco ist dem Hans im Weg gestanden«
Das Spannungsfeld zwischen Hans Hölzel und der Figur Falco wird heute oft zum tragischen Kern seiner Lebensgeschichte stilisiert. Wie haben Sie das erlebt?
Als ich ihn kennengelernt hab, war er der typische Bassist: sehr schüchtern, sehr still. Unscheinbar. Mit Pullmankapperl und halblangen Haaren. Seine Entwicklung zu Falco habe ich schon bei der Hallucination Company gemerkt, nicht erst bei Drahdiwaberl. Bei der Company hat uns Wickerl Adam dazu gebracht, auf der Bühne Rollen auszuprobieren. Wir haben Körpertheater-Workshops gemacht. Dabei habe ich erlebt, wie der junge, schüchterne Hansi Hölzel in die Figur des exaltierten Stars geschlüpft ist. Damals hatte er das erste Mal diesen leicht säuerlich-arroganten Gesichtsausdruck, den ich vorher nie gesehen hab bei ihm.
War der Erfolg als Falco für Hans Hölzel schwierig?
Nach einer Probe für die letzte Tour 93/94 haben wir eine ganze Nacht darüber geredet. Er hat gesagt: „Du hast es gut, du bist Produzent, du musst nicht vorne stehen. Ich würde auch gern produzieren, aber wenn ich etwas mache, steht sofort Falco drauf, weil die Leute erwarten sich eben Falco.“ Hip-Hop-Künstler hätte er gerne produziert oder Weltmusiksachen wie Peter Gabriel. „Aber mich fragt ja keiner“, hat er dann gesagt. Sein Erfolg als Falco ist ihm bei einem anderen, unbeschwerten Zugang zur Musik im Weg gestanden.
Sie sind musikalischer Leiter von „Falco – Das Musical“. Haben Sie sich gefragt, wie weit man in dem Genre gehen und dabei dem musikalischen Erbe des Freundes gerecht bleiben kann?
Ich war am Anfang skeptisch: Es ist ja schon das dritte Musical. Es ist aber das erste, das biografisch seine Geschichte erzählt. Dadurch hat es eine spezielle Berechtigung. Ich dachte, ich bin lieber dabei, bevor ich mich nachher vielleicht darüber ärgere. So kann ich etwas Positives beitragen. Als ehemaliger Bandleader empfinde ich noch immer Verantwortung für seine Musik. Mir war wichtig, eine gute Band zu finden, die dafür sorgt, dass das Musical nach Falco klingt. Die Jungs spielen seine Lieder mit dem Biss, den wir damals gehabt haben. Hätte der Hans die gehört, hätte er gesagt: „Burschen, so g’hört das!“ Das ist keine normale Musicalband.
Wie nahe kann ein Musical Falco überhaupt kommen?
Nie nah genug, das ist klar. Das generelle Problem bei allen Geschichten über tote Künstler ist, dass das Publikum weiß, dass sie sterben werden, so wie bei einem Katastrophenfilm, in dem klar ist, dass das Schiff am Ende sinkt. Deshalb entwickelt sich die Handlung schlüssig dorthin. Die Geschichte erzählt also immer mehr von den Meilensteinen, wo das Furchtbare passiert, statt von den 80 Prozent im Leben, wo alles in Ordnung war. Das beeinflusst den gesamten Blickwinkel auf einen Künstler wie Falco. Dass er in Wirklichkeit 80 Prozent seines Lebens clean war und ein normales Leben führte, kann in zwei Stunden nicht erzählt werden, und es wäre auch langweilig. Wer ihn gekannt hat, weiß aber, dass er meistens völlig normal war. Er war kein Spiegeltrinker, er war ein Quartalsäufer: drei, vier Monate clean, dann zwei Wochen komplett hinüber, dann wieder vier Monate nur Mineralwasser und Sport.
Fragen Sie sich manchmal: Was wäre, wenn? Hätte Falco ewig am großen Comeback geschraubt? Würde er heute in der Dominikanischen Republik seine Pension genießen?
Falco wäre nie in Pension gegangen – ein künstlerischer Mensch kann das gar nicht. Die interessante Frage ist: Was hätte er noch alles gemacht? Ich glaube, er wäre noch für Überraschungen gut gewesen. Vor einiger Zeit hat Lenny Kravitz bei mir aufgenommen und in der Küche ein Foto von Falco gesehen und war von den Socken: „Was? Der war hier?“ Falcos Werk hat noch immer Relevanz.
Seit Falcos Tod gestalten Sie sein musikalisches Andenken mit. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
Obwohl ich so viele verschiedene Dinge mache und mir beruflich wirklich nicht fad ist, gehören seine Person und sein Werk nach 20 gemeinsamen Jahren nun mal zu meinem Leben. Ganz komm ich nie weg davon, selbst wenn ich es wollte. Bei uns stehen Fans vor dem Haus oder rufen an. Da kann ich nicht sagen: „Übrigens der Falco ist tot, ruf nimmer an.“ Die Geschichte altert mit mir, und ich habe ähnliche Verluste beim Tod von Hansi Lang und Hansi Dujmic erlebt.
Wie ordnet man solche Verluste für sich ein? Ist das Schicksal?
Mein Schicksal scheint zu sein, dass mich extreme Charaktere immer fasziniert haben. Ich bin nicht ohne Grund mit denen zusammengekommen. Ich brauche Künstler, bei denen ich etwas spüre, wo sich meine Nackenhaare aufstellen, wenn man mit ihnen arbeitet. Mir sind Künstler, die brav machen, was du sagst, langweilig. Die Exaltiertheit vom Falco, die tiefen Texte vom Hansi Lang, der Blues vom Hansi Dujmic – das trifft mich, weil es authentisch ist. Diese Ecken und Kanten gehen mir ab. Falco-ähnliches Charisma sehe ich bei Maurice, dem Sänger von Bilderbuch. Marco von Wanda erinnert mich mit seiner Schwermut mehr an Hansi Lang.
Haben Sie sich je gefragt, ob Sie etwas anders machen, verhindern hätten können?
Nein, du kannst niemanden verarzten. Das muss jeder selbst in die Hand nehmen. Als der Anruf kam mit der Nachricht von Hans‘ Tod, hab ich gedacht, es geht um Hansi Lang, so sehr hatten wir Angst um ihn. Er hat ihn aber noch zehn Jahre überlebt. Als ich begriff, dass es Hans war, war mir neben dem Schock und der Trauer über den Verlust dieses Menschen sofort bewusst: Jetzt ist eine Lebensphase vorbei. Mit dem Wissen, diese Musik nicht mehr miteinander spielen zu können, hat sich eine ganze Welt verabschiedet.
Seit dem Jahr 2000 stehen Sie als musikalischer Leiter von „Starmania“, später „Dancing Stars“ im Rampenlicht. Wie passt das zur Drahdiwaberl-Vergangenheit?
Die TV-Shows haben mich von Anfang an fasziniert. Genau auf den Punkt abliefern zu müssen, wenn die Show losgeht, das hat dasselbe Prickeln wie große Livekonzerte. Und ich hab wahnsinnig viel gelernt. Meine Drahdiwaberl-Vergangenheit hat mir durchaus das Rüstzeug gegeben. Ohne diese Wurzeln wäre ich nicht der, der ich bin.
»Manche sagen: Jetzt macht er Kommerz! Wenn die wüssten!«
Kritische Stimmen könnten sagen: Das passt doch nicht zu Ihrer Geschichte, da kann es doch nur um Geld gehen.
Nein, eben nicht. Es geht um die Bühnenluft und die Zusammenarbeit mit unglaublich vielen Musikern. Ich habe mit elf Studios und knapp 100 Leuten gearbeitet. Die Steigerung für mich ist „Dancing Stars“, weil ich mit einem großen Orchester arbeiten kann. Und die musikalische Bandbreite ist hoch. Natürlich gibt es Freunde von früher, die sagen: Was macht er jetzt? Kommerz? Wenn die wüssten! Für mich ist Musik nicht nur mein täglich Brot, sondern mein Studio ist auch meine Sounddusche, die ich täglich brauche.
Und die Bühnenleidenschaft?
Die ist da, nimmt aber in der Praxis ab. Ich hab einmal mit viel jüngeren Musikern live gespielt und bin mir bald ziemlich blöd vorgekommen, weil ich doppelt so alt war wie alle anderen. Es war, als wäre ich mit Schülern auf der Bühne, die sich dauernd zu mir umdrehen und fragen: „Ist das recht so? Spiel ich das eh gut, Herr Rabitsch?“ Also hörte sich das auf. Es bleibt bei seltenen Events wie den Goldfisch-Gigs im U4. Da kann die Bühnenleidenschaft von der Leine.
Sie haben mal gesagt, Sie fühlen sich wohl als Produzent in der zweiten Reihe. Gab es mit dem Welterfolg des Freundes vor der Nase nie die Versuchung, nach vorn zu treten?
Also ehrlich, ich hatte nie das Gefühl, als Sänger interessant genug zu sein, um wahrgenommen zu werden. Ich habe mich im Hintergrund tatsächlich immer wohler gefühlt. Natürlich hätte ich aber in Deutschland mit derselben Arbeitsleistung das Zehnfache und in Amerika das Hundertfache verdienen können. Ich hab mich für hier entschieden. Die Lebensqualität ist so groß, dass ich das nicht bereue. Ich arbeite in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. In diesem Garten habe ich als Kind gespielt. Anfang der 90er habe ich mit meiner Frau, Anja, eine Familie gegründet. Hier war mein Fixpunkt, um den sich alles gedreht hat. Auch Falco hat immer gesagt, er kommt von Wien nicht los. Er hat sich geweigert, die schlüsselfertige Wohnung in Los Angeles zu beziehen und blieb lieber da.
Dafür sind Ihre Kinder in alle Welt ausgewandert.
Ja, meine Tochter Jaël lebt seit Jahren in Paris und arbeitet als Creative Producer beim Modekonzern LVMH und nebenbei als gefragte DJane. Mein Sohn Jakob hat in Boston an der Berkeley School Of Music studiert und ist in Los Angeles Komponist für Werbemusik. Nun geht er für die Filmmusikproduzenten Butter Music ein Jahr nach Berlin. Mein jüngster Sohn, Josef, geht als Produktionsassistent mit John Malkovich auf Europatour. Sie alle sind unser großer Stolz.
Sieht nach starker, kreativer, väterlicher Prägung aus?
Als Vater kann man zu nichts drängen. Aber sie sind natürlich auch im Studio aufgewachsen, haben Künstler kommen und gehen gesehen. Und sie haben mitbekommen, der Papa macht das richtig gern. Der hat Spaß an der Arbeit und kommt erst, wenn er fertig ist. Kein Nine-to-five-Job. Dass Arbeit Spaß machen kann, war wahrscheinlich die wichtigste Botschaft an die Kinder.
Thomas Rabitsch
Der Keyboarder und Musikproduzent ist seit Mitte der 70er-Jahre Fixgröße der österreichischen Musikszene. Die Bands Drahdiwaberl und Hallucination Company prägten seine Anfänge. Falco begleitete er als Bandleader bis zu dessen Tod. 2004 wurde The Slow Club mit Hansi Lang und Wolfgang Schlögl sein Herzensprojekt. Rabitsch produzierte Theater-und Filmmusik und entwickelte für den ORF das Sounddesign für über 30 Sendungen. 2000 wurde er musikalischer Leiter der ORF-Show „Starmania“. In dieser Funktion ist er ab April zum elften Mal für „Dancing Stars“ im Einsatz. Mit seiner Frau Anja hat er drei Kinder.
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Quelle: News