Kommentar: Michael Hopp über Falco, der ins Schattenreich des Cool einging, lange bevor er tot war

Michael Hopp über Falco, der ins Schattenreich des Cool einging, lange bevor er tot war

Michael Hopp war bis Mai 1999 Chefredakteur von „TV Movie“ und ist seither mit dem Büro X für die Entwicklung und Beratung von Medien tätig. Er lebt in Hamburg.
Pop, das sind immer auch viele verbrannte Worte. Die Behauptung, „Falco lebt“, ist ebenso fragwürdig wie die, dass dies die Wüste tue.

Jetzt, was ist. In Wien ist alles ganz normal. Sie streiten ums Geschäft mit der Vergangenheit. So entstehen gute Sachen und weniger gute. Über das Mozartkugel-Syndrom hat sich Falco schon in „Rock Me Amadeus“ lustig gemacht, die Idee, dass es unbedingt zu bedienen sei, war damit schon erschöpfend behandelt. In Wien hat Falco begonnen, da muss er auch enden, alle aussteigen bitte.

Doch da gibt es welche, die weiterfahren. D. h., die haben gar nicht gerafft, dass es da ein Halten gab. Ich sage, auf der ganzen Welt laufen Falco-Fans rum, die wissen nicht mal, dass ihr Held tot ist, oder gar, wie er gestorben ist, das wäre denen auch egal. Die Frage, ob es romantischer ist, an einem Speedball zu verrecken oder sich mit Schnaps im Kopf von einem Autobus zermantschen zu lassen, die stellen die sich gar nicht. Für sie ist Falco schon in den achtziger Jahren, lange bevor einer in einer beschissenen Bananenrepublik die Sterbeurkunde ausfüllte, in die ewigen Jagdgründe des Cool eingegangen, in jenes Schattenreich also, in dem keiner gefragt wird, ob er lebt.

Nicht totzukriegen wäre er ja auch, wenn er nicht tot wäre. Ambros, Fendrich, die ganze Regionalliga seiner Zeit ohnehin, aber auch Westernhagen, Grönemeyer, ja sogar Bowie, der heute sein Gebiss für Autowerbung fletscht, alle hat er platt gemacht. Die alle haben ja gar nichts davon, dass sie noch leben, und wir natürlich auch nicht.

Was Falco unterschied? Er war mehr Maschine als Mensch. Sein Funktionsprinzip hat er mal „Falconization“ genannt. Gemeint war damit, an einem Song, einem Sound, einer Zeile, aber auch an einem Outfit und vielleicht sogar an einem Statement so lange rumzubosseln, bis es Falco „ist“. Das ist das offene Geheimnis der Marke. Die gelungensten Falco-Songs sind ja nichts als Jingles für das Produkt Falco, die Videos TV-Spots für die Platte, die Platten Soundfiles zum Spot ? heute nennt man das Crossmedia. Indem sich Falco zum Markenartikel machte, begann seine Entpersonalisierung. Aus der klinischen Künstlichkeit seiner Videos erstand das Cyber-Wesen Falco, bereit, die Weltmacht zu beanspruchen. Was da als Person zurückblieb, war bloß ein Zombie, programmiert auf Selbstzerstörung.

In die „Positionierung“ Falco fließen auch Werte wie hohe und hochgradig kodierte Produktqualität, Internationalität, ein Gefühl von Luxus und Dekadenz, als USP mag das Thema „deutsch gesungener Rap“ gelten ? ich meine, im Rückblick wirkt das Ganze so reißbrettartig kalkuliert, als wäre es von heute für morgen gedacht. Mit so was geht man jetzt an die Börse. Falco war vermutlich das perfekteste österreichische Patent seit dem Heidelbeer-Joghurt.

 

Quelle:  PROFIL 13/2000