Ist dieses Wien noch sein Wien?
Gedanken nach dem insgesamt 3. Besuch des FALCO-Musicals (Wiener Stadthalle, 12.2.2020)
Seit Feber 2017 tourt das Falco-Musical durch die Stadthallen der deutschen Mittel- und Großstädte und erzählt effektvoll die Geschichte von Aufstieg und Untergang des erfolgreichsten österreichischen Popstars. Eine Mega-Produktion, die nun 2020 wieder auf Tour ist. Grund genug für die Autorin, sich dieses Spektakel erneut anzusehen.
Falco sells. Keine Frage. Das FALCO-Musical hat in den aktuellen Spielplänen neben Produktionen über Elvis, Michael Jackson, Whitney Houston und Frank Sinatra einen guten Platz. Niemand fragt „Who’s that?“ Im Gegenteil. Der enorme Erfolg des Musicals zeigt, dass FALCO in dieser Liga der Ganzgroßen ein Leiberl hat. Er spielt da mit, wenn auch mittlerweile inhaltlich entschärft, großbühnig inszeniert und damit maximal kommerzialisiert.
Und dennoch. The Story of Falco wird auf diese Weise einem Mainstream-Publikum erzählt, die das Original nie gekannt hat, sei es weil sie zu jung sind oder weil sie sich vor 30 Jahren von diesem gelackten Präpotenzler, der er sich gegeben hat, abgewendet haben. Nun kommt so ein Musical daher und erzählt in zweieinhalb Stunden sein Leben.
Die Wurzeln dieser Metamorphose von der Galionsfigur des Wiener Undergrounds zum „Kommerzschweinderl“ (O-Ton Hans Hölzel, 1988) ist Ironie des Schicksals, das er selbst noch gesteuert hat. Vor diesem Hintergrund ist das Musical eine logische Konsequenz, an der er in Summe Gefallen finden würde. For sure.
Wer sich im Laufe der Jahre mit der Unvereinbarkeit von FALCO + MUSICAL schon ein bissi versöhnt hat, wer nach 22 Jahren das Original immer noch vermisst, ihn aber nicht mehr persönlich auf einer Bühne erwartet, wer also schon einiges Schönes und Schauriges an Falco-Tributes und Memorials verdauen durfte, der/die wird den Besuch der aktuellen Musical-Produktion durchaus genießen können. Oh ja.
Wo FALCO draufsteht, wird auch 2020 Opulentes geboten. Die Lebens- und Karrieregeschichte des Falken erstreckt sich über 23 seiner bekannten Songs, die man zwar alle kennt, aber so noch nicht erlebt hat, nämlich in einem bombastischen Szenenreigen, mit gewaltigen Licht- und Sound-Effekten, multimedialen Einlagen und eleganten wie heißen Tanzperformances. Wir bekommen, was wir erwarten. Bühnenshow vom Feinsten.
Das Herzstück der Inszenierung ist die Musik. Eine wirklich exzellente Band (directed by Thomas Rabitsch) begleitet den sympathischen Hauptdarsteller Stefan Wessel, der das ist, was seine Berufsbezeichnung sagt: ein Darsteller – also kein Imitat, keine bundesdeutsche Selbstüberhöhung mit Sonnenbrille, sondern ein von der ersten bis zur letzten Szene glaubhafter Bühnen-Falco, dessen Gestik, Mimik, Wienerisches und geslackte Coolness respektvoll und doch überzeugend von seinem Original erzählt, so dass man sich im Publikum freut, erinnert und an manchen Stellen sogar selbst emotional reagiert.
Stefan Wessel gibt einen Falco, der einerseits zynisch ist, wie Falco zynisch war und zugleich etwas Zerbrechliches hat, wie es der Hans hatte. Er spielt sich nicht als Falco auf. Er dient der Rolle. Und das macht das Musical für Falco-Kenner wie für die Wiener Expertenschaft sehr angenehm.
Natürlich sind die Inhalte bekannt und dennoch berührt auch am nächsten Tag immer noch diese extreme Bombastik, mit der er sich im Leben so leidenschaftlich hingegeben, um nicht zu sagen „geopfert“ hat. Seine Eleganz, sein Schmäh und seine innere Zerrissenheit werden in dieser Inszenierung eindrucksvoll vergrößert. Die megalomane Attitüde fasziniert genauso wie die eindrucksvoll tänzerische Darstellung seiner Ängste und Zweifel. (Das alleine schon hätte ihn beeindruckt – und nicht nur wegen der nackten Haut.)
Ist dieses Wien noch sein Wien? Ja, es ist. Und wie! Seine Songs zeigen, wie zeitlos genial er war. Sie funktionieren auch in einem Musical. Und das ist keine Operette, kein Lustspiel, aber auch kein bundesdeutsches Kommerzspektakel. Es ist ein Musiktheater für die nächste Generation. Und das durchaus im Sinne des Großmeisters. Wir erleben nicht mehr den Hans Hölzel, aber das Phänomen Falco. Das wirkt. Nicht nur bei mir. Das Wiener Publikum war begeistert. Und das ist – wie man noch vom IHM selbst weiß – keine Selbstverständlichkeit.
Grosses Lob auch für Fritz Barth, den Darsteller des Horst Bork. Seine Wutausbrüche aufgrund des hölzelschen Schlendrians ließen die „Wahrheit“ durchaus erahnen.
Ein spezieller Dank an Stefan Wessel, der sich sogar nach der Vorstellung noch Zeit genommen hat für ein persönliches Gespräch. Sowas bleibt in Erinnerung.
Text: Amadea S. Linzer
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„Man verblutet relativ schnell, wenn man ned aufpasst. Ich glaube, dass es bei einem Künstler – und das ist ein wichtiger Punkt, den ich glaube gelernt zu haben – mehr um das geht, was er nicht zeigt, als um das, was er zeigt.“
Hans Hölzel, 1990