Kritik: Nach dem Besuch eines deutschen Gastspiels (Falco – Das Musical)

Nach dem Besuch eines deutschen Gastspiels
FALCO – Das Musical | Wiener Stadthalle, 1.4.2017
Kritische Gedanken von Amadea S. Linzer

 

 

 

 

 

 

Ein Musical ist ein Musical ist ein Musical. Ein Imitator bleibt ein Imitator. Und ein Piefke bleibt ein Piefke. Das sind drei Tatsachen, die sich mit dem Phänomen FALCO nur äußerst schwer vereinbaren lassen. Fürdieses heikle Unterfangen braucht es dann schon das Aufgebot von den letzten originalen Zeitzeugen, damit das Ergebnis kein peinlicher Abgesang wird. Man tut, dass es gefällt.

Zugegeben mir verursacht jede Falco-Imitation Körperschmerzen. Ich ertrage es nur schwer, wenn sich das Unfassbare eines Künstlers auf Äußerlichkeiten reduziert und diese dann so dick aufgeblasen werden, als wäre in diesen Ornamenten das Geheimnis eines Genies eingeschrieben. Und bei Falco gibt es reichlich Material, das sich mimisch und gestisch aufblasen lässt.

So wird in diesem groß angelegten Musical einmal mehr alles „Typische“ an Falco klischeehaft ausgeschlachtet und in eine 2-Stunden-Produktion gepackt, die in diesem Jahr landauf landab die Stadthallen füllt und einem zahlungsfreundlichem Publikum die „Story von Falco“ näher bringt. Eine Parade-Rolle für einen jeden selbst-darstellerisch ambitionierten Schauspieler, der sich gern mit fremden Federn schmückt. In diesem Fall ist er sogar gelernter Sänger und Schauspieler, ist des Repertoires kundig und sieht dem Original aus der Ferne ähnlich. Beste Voraussetzungen also. Und dennoch.

Alexander Kerbst jongliert mit Sonnenbrille, Gesten, Handbewegungen, bewegt sich scheinbar stilsicher in der Körpersprache einer Kunstfigur, mit der die meisten Anwesenden im Publikum aus den 80-er Jahren aufgewachsen sind. Dass er dafür den Wiener Dialekt brav lernen musste, setzen wir voraus. Und dass ein Deutscher die Grenze nicht wissen kann, bei welcher Nuancierung der angelernte Dialekt zu einer sprachlichen Anbiederung wird, sei ihm verziehen.

Das Heikle ist, dass der beste Falco-Darsteller Hans Hölzel selbst war und jeder Versuch, diese Gestik zu imitieren eine steile Gratwanderung ist. Vor allem in Wien ist dieser Grat besonders gefährlich. Wenn sich dann noch ein Piefke auf diese Übung einlässt, braucht er eine gute Substanz, sonst ertappen wir ihn bei dem, was er uns vorspielt: bei der versuchten Selbstdarstellung im Kostüm eines Heiligen. Was nämlich in Wuppertal und Winterthur gut ankommt, ist in Wien ein Sakrileg. Achtung. Hier verdunstet die gewollte Attitüde schnell in heißer Luft. Das hat uns seinerzeit schon Hans Hölzel gelehrt. ER, himself. you remember.

Aber ich bin schon still. Ich könnte jetzt noch weiter ätzen. Könnte erwähnen, dass ich Helene Fischer in der Rolle der Jeanny schwer vermisst habe. An der Seite des von der Sucht Getriebenen Falcos wäre die Fischer nach dem deutschen Reinheitsgebot das „Tüpfelchen am i“, wie man bei den Nachbarn so sagt. Der Musical-Falco und Helene Fischer – ein Traumpaar, das dieser Produktion in Deutschland mindestens noch für fünf weitere Jahre ausverkaufte Hallen garantieren tät. Damit würde sich die Kunstfigur endgültig in Kitsch und Kommerz auflösen. Das wäre dann der ultimative Tod von Falco.

Aber ich will mir keine Feinde machen, denn Wien ist anders. Wien ist ein kleines Dorf und morgen wird bestimmt in der Zeitung stehen, wie toll die Produktion inszeniert ist, wie eindrucksvoll die Bühneneffekte (Licht, Video) eingesetzt wurden, wie professionell und raffiniert Alexander Kerbst die Gestik Falcos einstudiert hat, ja dass er dem Original nicht nur ähnlich sieht, sondern auch stimmlich im Falco-Repertoire durchaus bestehen kann.

Es wird zu lesen sein von der überzeugenden Darbietung der jungen Band, die zwar meistens im Bühnenbild völlig verschwinden, die aber hörbar angenehm an den Songs gearbeitet haben – wie überhaupt die einzelnen Nummern an das erinnern, worum es damals unter anderem auch ging: um ein Lebensgefühl.

Man wird dabei den Namen Thomas Rabitsch lesen, beruhigt mit dem Kopf nicken, natürlich Horst Bork erwähnt finden, ja womöglich sogar Rudi Dolezal und sich denken, super war’s. Die Leute haben zum Schluss beim Kommissar kräftig mitgeklatscht (prima!) und nach anfänglich verhaltenem Applaus konnten dem erweichten Publikum sogar noch drei Zugaben verabreicht werden, wobei im Finale die hochpolitische Hymne „Europa“ fast zu einem Schunkellied mutierte. Brrr.
Hans hätte sich spätestens dann im Jack Daniels ertränkt. Womit wir beim Thema wären: Wie hätte ER reagiert? Hätte es IHM gefallen? Und überhaupt…

Dass ausgerechnet in diesem Haus, 30 Jahre nach „Rock me Amadeus“ seine Lebensgeschichte zu einem Show-Spektakel mutiert, – ja – das hätte dem Falco natürlich getaugt. Das ja. Dass sich die Inhalte einer solchen Bühnengeschichte aber immer noch im leidigen Themenpool Alkohol, Sucht, Exzesse bis hin zum suizidalen Inferno erschöpfen, lässt den Eindruck entstehen, als hätte man nichts anderes zu erzählen über das Leben von „Österreichs größten Popstar“, der so nebenbei auch ein kritischer Zeitgenosse, ein Ästhet, ein Sprachkünstler, ein Denker, natürlich ein Süchtiger aber in gewisser Weise auch ein „Seher“ war. Aber wer sieht das schon.

Den Leuten, die sich vor 30 Jahren von seiner Arroganz abschrecken ließen, wird nun die „Falco-Story“ in diversen TV-Dokumentationen, Filmen und Musicals pflegeleicht erzählt. Dabei wird die Schärfe mit dem Weichzeichner für das zahlende Publikum entschärft. So kann man den Falco-Schmäh nehmen. So stört auch seine Überheblichkeit nicht. Im Gegenteil. So mögen ihn die Leute. So können sie über ihn lachen. So verzeiht man dem Exzentriker das Unverzeihliche und findet ihn im Nachhinein eh ganz nett. Womit Hans Hölzels Alptraum, nämlich die Einbettung im Mittelmaß erfolgreich vollzogen ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob ER himself das alles auch so ultimativ toll und lustig finden würde, wie man es ihm gerne andichtet. I waaß ned. Zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten ist immer ein tiefer Graben. Und ER hat diese Gabelung in seinen Statements perfekt beherrscht.
Ich sehe ihn mit einem laut lachenden und einem weinenden Auge. War’s wirklich das, wofür man sich ein Leben lang aufgerieben hat? Oder gehört es zum Beruf eines Popstars dazu, dass das Original posthum zum Klischee verflacht und die Folgegenerationen den Imitatoren huldigen, weil sie von einem Mythos künden, dessen Urheber man sich gar nicht mehr vorstellen kann?

Bestimmt hätte ER auch jetzt einen Sager auf der Zunge. Vielleicht diesen: „Wenn scho a Musical, dann tiefer recherchieren – dann bitte auch die Szenen aus dem Rotlichtmilieu detailgetreu nachstellen…“ 

Insider wissen Bescheid.
In diesem Sinne: Lasst die Puppen tanzen.
Vorhang.

Quelle: Amadea liest Falco

Mit freundlicher Genehmigung von Amadea S. Linzer