Ein Leben als Greatest-Hits-Schau
19 Jahre nach seinem Tod und einen Monat vor seinem 60. Geburtstag befeuert der Flug des Falken erneut Fantasie und Einspielkassen gleichermaßen: Falco hinter Gittern; Falco, wie er aus einer pompösen goldenen Kutsche steigt; Falco auf einem silbernen Thron mit Zebraüberzug; dazu engelhafte Wesen, die bei „Out of the Dark“ über dem Bühnennebel schweben.
Es sind einprägsame, leicht decodierbare Bilder, mit denen „Falco – Das Musical“ durch die turbulente Lebensgeschichte führt. Musik und Theater, zwei passende Falco-Überschriften, verweben sieben Schauspieler und acht Tänzer zu einer zweistündigen Show im 80er-Jahre-Look. Live gesungen, mit Tanzeinlagen garniert und mit Originaleinspielern angereichert – für das gewisse authentische Extra.
Mutter, der Mann mit den Hits ist da
Eine „respektvolle Verbeugung“ sollte es laut den Produzenten werden. Dafür sorgen wohl bekannte Gesichter aus dem Falco-Universum: mit dabei der ehemalige Bandleader Thomas Rabitsch, Falcos frühere Manager Horst Bork und Rudi Dolezal, der Falcos mediales Bild maßgeblich prägte.
Produzent Oliver Forster ist jedenfalls geübt darin, Popstoffe publikumswirksam und großformatig auf die Musical-Bühne zu bringen. Vor Falco tat er das schon mit den Beatles („All you need is love! Das Beatles-Musical“), ABBA („Thank You For The Music – Die Abba Story als Musical“) und Elvis Presley („Elvis – Das Musical“). Falco will Forster als „zerbrechlichen, ängstlichen, sich selbst infrage stellenden Menschen“ zeigen.
Songs statt Analyse
Eine Neudeutung der exaltierten Diva? Gar ein Zugeständnis an den modernen Mann mit Gefühlen? Nein, das dann auch wieder nicht. Eine neue Perspektive auf Falco wäre nämlich „gar nicht der Anspruch und die Absicht“, so Bork im Interview mit ORF.at. „Das Musical besteht ja nicht aus tiefenpsychologischen Analysen, sondern primär aus 20 Falco-Songs.“
ZDF/Sandra Ludewig
„Die Lebenslust bringt dich um“
Dabei wäre die Biografie des Mannes, der weltweit über 60 Millionen Platten verkauft hat, auch abseits der Hits guter Stoff – selbst für tiefschürfende Filme. Die schicke Oberfläche des permanent mit dem Exzess Kokettierenden blendete mitunter und lenkte ab vom zweifelnden Geist hinter dr verspiegelten Sonnenbrille. Falco kam als Drilling zur Welt – und überlebte als Einziger. Eine Erfahrung, die den Bewunderer von Ernst Jandl und H. C. Artmann auch durch Zeiten des Erfolgs begleiten sollte. „Ab und zu blitzte dieses Drillingsthema durch, so nach dem Motto: Mit mir hat ja eh keiner gerechnet“, sagt Bork über eine mögliche Triebfeder Falcos. „Da hatte er vielleicht noch einen zusätzlichen Antrieb, es den Leuten zu zeigen.“
Dass er mit „Der Kommissar“ den deutschsprachigen Hip-Hop aus der Taufe hob, war nicht unbedingt seine Absicht. „Ich hab den Kommissar nicht aufgenommen, weil ich Hip-Hop habe machen wollen, sondern weil ich mir gedacht hab, es ist irgendwie geil, deutsche Sprache zu rappen“, so Falco 1996 in einem FM4-Interview.
Windhund und Poet
Inspiriert von Größen wie David Bowie und Klaus Nomi hatte Falco Lust am Spiel mit seiner Kunstfigur, er gab den Pop-Kaiser mit imperialistischer Geste. Einmal Windhund, dann wieder Poet; einmal Wiener Gassenbub, dann wieder exaltierter Höfling. Heute mag es wie das übertriebene Gehabe eines Popstars im Nadelstreif anmuten, damals war Falco eine Ikone. Wenn auch mit Hang zur Yuppie-Pose a la „Wall Street“.
Mitte der 80er lockte ein Deal mit der Plattenfirma Virgin des britischen Milliardärs Richard Branson. Doch auch der gern als Überholspur-Freak charakterisierte Falco musste mitunter auf die Bremse steigen. Falco verpasste dreimal das Flugzeug nach London, der Deal scheiterte. „Vielleicht hatte er Angst vor diesen hohen Konditionen“, so Bork. „Er hat ja den Druck der Schallplattenindustrie kennengelernt, wenn ein Album wie ‚Junge Römer‘ nicht so geht wie erwartet. Wie schnell man da auf die Müllhalde geworfen wird.“
Marcel Klette
„Sein Spielplatz war die Welt“
Auch aus Amerika drangen Sirenenrufe nach Wien. Doch als Falco schlüsselfertig vor seinem künftigen Anwesen in Los Angeles stand, verließ ihn der Mut. „Die Amerikaner haben keinen Schmäh“, sagte er zu Bork und stieg ins Flugzeug zurück nach Wien. In Österreich war Falco einer Erdung am nächsten. „Er hat sich in Wien und auch in Gars am Kamp am wohlsten gefühlt. Obwohl er wusste, dass sein Spielplatz die Welt war“, fasst der Ex-Manager die Zerrissenheit zusammen.
Schlampige Coolness
Einen popkulturellen Ritterschlag erhielt Falco schon zu Lebzeiten – er schaffte es in die „Simpsons“. Ausgerechnet in einer Musical-Folge der Kultserie verneigte sich die Fernsehfamilie ironisch vor „Rock Me, Amadeus“. Auch im Pop bleiben seine Spuren bis heute sichtbar. Nicht nur Falcos weltgewandten Wortwitz, auch die typisch wienerische Mischung aus schlampiger Coolness, charmanter Dreistigkeit und seine Rhythmisierung der Sprache hört man als Echo etwa in den Songs von Bilderbuch. Es ist also davon auszugehen, dass von Falco auch weiterhin, und das nicht nur zu Jubiläen, zu hören sein wird.
David Baldinger, für ORF.at