Artikel: Falco-war es Mord ?

„Die Aktuelle Krimi“ – Ausgabe vom 05.02.2022
Bericht: Kathrin Feulner

 

Nach außen hin war er der gefeierte Pop-Star. Doch er führte ein heimliches Doppelleben. Im Februar 1998 starb Sänger Falco in der Dominikanischen Republik. Ein Autounfall – so lautete die offizielle Version. Doch viele Fans und Wegbegleiter wollen daran bis heute nicht glauben. Und tatsächlich: Es gibt Indizien, dass in Wahrheit alles ganz anders gewesen sein könnte …

Es ist der 6. Februar 1998, nachmittags, in der Dominikanischen Republik. Auf der staubigen Landstraße zwischen den Orten Villa Montellano und Puerto Plata fährt Randy B. (Name geändert) mit seinem weißen Reisebus. Unzählige Male hat er die Strecke schon zurückgelegt – und wie alle hier hält er sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h. Auf einer Bergkuppe geht es leicht um die Kurve, hohes Gestrüpp und ein Strom-Mast versperren die Sicht auf den Parkplatz der „Turist Disco“. Plötzlich schießt von dort ein Auto auf die Straße. Randy B. tritt noch auf die Bremse. Zu spät. Es kracht … In dem zertrümmerten Auto, einem dunklen Geländewagen, sitzt der österreichische Auswanderer Hans Hölzel, besser bekannt als Falco. Er ist sofort tot.

Gestorben mit nur 40 Jahren. Einer der Ersten, die zum Wrack des Wagens kommen, beschreibt den Gesichtsausdruck des Toten so: „Als hätte sich das ganze Entsetzen, das ganze Erkennen der tödlichen Situation Bruchteile von Sekunden vor dem Zusammenprall in sein Gesicht gegraben.“ Der einsame Tod der Pop-Legende – und die große Frage: Warum?

Maribel Baldez, Kellnerin in der „Turist Disco“, ist eine der letzten Personen, die den Sänger lebend gesehen haben. Doch sie verstrickt sich in Widersprüche. Erst behauptet sie, Falco hätte zuvor sturzbetrunken in ihrem Lokal gesessen. Später gibt sie zu Protokoll: „Mir ist aufgefallen, dass da einer draußen auf dem Parkplatz im Auto saß und ins Leere starrte. Seine Haare waren total zerzaust. Er wirkte traurig, stieg aber eine Stunde lang trotz der Hitze nicht aus seinem Jeep aus.“ Fast nackt hätte er dagesessen – „bis er plötzlich Gas gab und davonrasen wollte.“

Diese Version ähnelt dem, was andere Einheimische erzählen: Sie hätten mit dem „verrückten Ausländer“ kräftig gebechert, danach habe sich dieser sein T-Shirt ausgezogen und sei am Steuer seines Wagens eingeschlafen. Fakt ist: Bei der Obduktion wurde im Blut des Leichnams ein erschreckender Cocktail aus Alkohol, Marihuana und Kokain nachgewiesen. Die verantwortlichen Mediziner gaben an, selten so viel Kokain in einem Körper gefunden zu haben!

Falco und die Drogen. Sein früherer Manager Horst Bork bestätigt, dass sein Schützling regelmäßig unter „Substanzeinfluss“ Auto gefahren sei. Es war auch nicht sein erster Crash … Hans Reinisch, Falcos ehemaliger Chef bei der Plattenfirma, wird dagegen mit der Aussage zitiert, der Sänger sei damals seit zwei Jahren trocken gewesen. Kurz vor seinem Tod habe er jedoch einen Rückfall gehabt: „Über drei Tage hat er exzessiv getrunken und Drogen genommen.“

Dazu passt, dass Falco am Abend vor dem Unfall in einem Striplokal gesehen wurde. Ob er dort „nur Cola Light“ getrunken hat oder doch eher Whiskey – da gehen die Meinungen auseinander … Doch warum überhaupt der angebliche Rückfall?

Laut Reinisch war Falco unsterblich verliebt – in Selina, eine Einheimische. Deren Vater habe die Verbindung jedoch verhindern wollen. Zu zweifelhaft war der Ruf des berühmten Österreichers. Im Nachhinein will Reinisch das allerdings nie gesagt haben. Im Gegenteil: Selinas Vater sei längst tot gewesen! Und um die ganze Sache noch verwirrender zu machen, meldete sich kurz nach dem Unfall auch noch eine gewisse Andrea B. aus Niederösterreich, die behauptete, Falcos Verlobte zu sein. Doch auch da soll es gekriselt haben …

Welche Frau auch immer seine aktuelle Herzdame war – eine Frage bleibt in jedem Fall ungeklärt: War es wirklich ein Unfall? Oder wollte der exzentrische Künstler etwa seinem Leben ein Ende setzen? Stürzte er sich aus Liebeskummer in den Tod? Er hätte noch genügend weitere Gründe gehabt.

Dazu muss man nur ein wenig hinter die Fassade blicken. Die Fassade aus schwarzer Sonnenbrille, gegelten Haaren und edlem Zwirn. Falco war ein Ausnahmekünstler, aber vor allem ein brillanter Selbstinszenierer. Die Fans liebten seinen eigenwilligen Sprechgesang mit den oft zynischen Texten. Er hatte eine Kunstfigur erschaffen, hinter der er sich immer mehr versteckte. Doch der Mensch Hans Hölzel war ganz anders als Falco: sensibel, verletzlich, misstrauisch, voller Selbstzweifel – und oft einsam.

Als er 1993, sieben Jahre nach der Geburt seiner geliebten Tochter Katharina, erfuhr, dass er nicht ihr leiblicher Vater war, brach es ihm das Herz. Die Ehe mit der Mutter des Mädchens war zu diesem Zeitpunkt längst zerbrochen. Wie so viele Beziehungen danach. Mitte der Neunziger stagnierte auch Falcos Karriere. Er hatte damit gerechnet. Im März 1986, im Moment seines größten Triumphs (sein Hit „Rock Me Amadeus“ kletterte in den USA auf Platz 1 der Charts), war der neue Superstar, statt zu feiern, regelrecht in sich zusammengebrochen: „Das war’s! Diesen Erfolg werde ich nie wieder erreichen. Meine Karriere ist vorbei“, soll er gejammert haben.

Der Rummel um seine Person riss jedoch nicht mehr ab. Er machte ihm immer mehr zu schaffen, sodass er schließlich in die Karibik flüchtete. Doch selbst dorthin verfolgten ihn die Fans. Genau wie sein Weltschmerz. Immer öfter soll er in seinem Jeep gedankenverloren über die Insel gebraust sein … In einem Interview hatte Falco einmal festgestellt: „Wenn ich schon mal zu früh sterben sollte, dann wie James Dean – auf einer Kreuzung, im Porsche. Zack. Aus.“ Sorgte er jetzt etwa selbst dafür, dass sich die Geschichte wiederholte?

Kurz nach Falcos Tod wurde sein Song „Out of the Dark“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Das weiße Licht kommt näher, Stück für Stück. Will mich ergeben … Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Konnte das ein Zufall sein? Ahnte seine zerrissene Seele den nahenden Tod voraus – oder sehnte er ihn sogar herbei? Allerdings soll das Lied schon deutlich früher und vor allem gar nicht von Falco selbst geschrieben worden sein. Zweifler an der Suizid- Theorie werfen zudem in den Ring, der Sänger habe endlich wieder voller Zuversicht an einem neuen Album gearbeitet … Wenn Falco also gar nicht sterben wollte – wer sagt, dass es dann wirklich ein Unfall war? Könnte es nicht auch sein, dass da jemand seine Finger im Spiel hatte? Vielleicht wurde ihm ja etwas ins Glas geschüttet? Ebenso denkbar: eine manipulierte Auto-Bremse. Oder wurde am Ende sogar der Busfahrer dafür bezahlt, dass er etwas mehr aufs Gas drückte …?

Wie schnell das Obduktionsergebnis vorlag, machte jedenfalls viele stutzig. Ein Exil-Österreicher, der damals wie Falco in der Dominikanischen Republik lebte, hatte für den Untersuchungsbericht nur ein müdes Lächeln übrig: „Für zehn Dollar kriegst du hier jede Antwort von den Behörden, die du haben willst. Für hundert Dollar geben sie dir’s auch noch schriftlich.“ Der österreichische Autor Tom Landon behauptet, Informationen darüber zu haben, dass Falco an jenem Tag nur Wasser getrunken habe, „aber sein Körper lag stundenlang in der prallen Sonne, das Blut begann aufgrund des natürlichen Zuckergehalts zu gären.“ Angeblich sei Landon aufgrund dieses Wissens mehrfach bedroht worden. Woher er es hat und was er wirklich weiß, ist bis heute ein Geheimnis. Doch auch Falcos Spanischlehrer versichert, den Sänger am Todestag gegen Mittag noch unterrichtet zu haben. Sein Schüler sei völlig klar gewesen. Ebenfalls merkwürdig: Falcos Geländewagen soll sofort nach dem Unfall abtransportiert worden sein. Gab es etwas zu vertuschen?

Und: Der Busfahrer, der wegen überhöhter Geschwindigkeit zunächst in Untersuchungshaft saß, kam gegen Kaution frei. Doch wer hatte für den Mann aus einfachen Verhältnissen damals die 71 000 Mark hinterlegt? „Sie kommen, dich zu holen …“, sang Falco schon 1985 in seinem umstrittenen Hit „ Jeanny“. Wer hätte ein Interesse an seinem Tod haben können? Der Vater seiner neuen Freundin Selina (falls er denn doch noch lebte) vielleicht? Oder jemand aus dem Drogenmilieu, dem der Sänger Geld schuldete?

Was durchaus im Rahmen des Vorstellbaren war: Immerhin wurde Falco schon mal mit einem heimlich aufgenommenen Video von einem Bordell-Besuch erpresst, bei dem er angeblich weder seine Drinks noch die Damen bezahlt hatte! Auch heißt es, er sei nicht besonders beliebt gewesen in seiner neuen Heimat. Wegen rassistischer Äußerungen soll er sogar aus einer Bar geflogen sein, wie ein Kneipier erzählt: „Als die Todesmeldung kam, haben viele Dominikaner nur ausgespuckt …“ Unfall, Suizid, Mord? Alles nicht! Das meint eine hartnäckige Gruppe treuer Falco-Fans. Sie sind sich sicher: Ihr Idol lebt!

Weil der Sarg der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wurde und weil Mama Hölzel ihren toten Sohn nicht hatte sehen wollen, kam das Gerücht auf, niemand habe die Leiche je zu Gesicht bekommen. Stattdessen tauchten 2007 Fotos auf, die Falco angeblich bei einem Konzert in Wien zeigten. Bekannte des Sängers wollen ihn darauf eindeutig identifiziert haben. Hat Falco seinen Fans da sogar einen versteckten Hinweis hinterlassen? In seiner Villa lag an relativ präsenter Stelle das Video zum Film „Die letzte Spur des Falken“. Fans spekulieren in Foren bis heute, ob ihr Idol ihnen damit ein Rätsel aufgeben wollte.

Und während die einen weiterhin auf Schnitzeljagd gehen, pilgern die anderen zu Falcos Grab in Wien. „Gruppenweise kommen und gehen die Leute – Japaner, Deutsche, Ungarn …“, berichtete Maria Hölzel mal vom Rummel um ihren toten Sohn. Und es heißt: Am Sterbe-Ort in der Dominikanischen Republik schenkt die Raststätte (in welcher sich der Unglückliche während seiner letzten Stunden dem Tod nahe trank) weiter Tequila und Planter’s Punch in praller Sonne aus!

Bericht: Kathrin Feulner

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Die Aktuelle Krimi – Ausgabe vom 05.02.2022