Artikel: Falco zum 65er „Zwanzig Sekunden mehr“

Die Masseverwalter veröffentlichen zum 65. Geburtstag die Kompilation „The Sound of Musik“ – es ist Marktgeschrei im Sekundenbereich

Bericht: Der Standard – 31. Jänner 2022, 06:00
Autor: Karl Fluch – Kulturredakteur „Der Standard“

 

Sein Todes- und sein Geburtstag liegen keine zwei Wochen auseinander. Für die Verwalter seines musikalischen Erbes ist es demnach eine sichere Bank, zu jedem sich bietenden Jubiläum dieses Erbe neu aufzulegen, irgendein Verkaufsschmäh lässt sich schon erfinden. Jetzt ist es wieder einmal so weit.

Falco wäre am 19. Februar 65 Jahre alt geworden, am 6. Februar jährt sich sein Todestag, zwei Tage davor wird diese Woche eine neue Sammlung zur Person veröffentlicht: The Sound of Musik, mit herkunftsloyalem „k“ im Titel. Ein Hinweis auf die Besonderheit des österreichischen Popstars, der früh seine Muttersprache um das Englische angereichert hat, beides in die oberen Stockwerke nasaler Arroganz beförderte, wo sie der Trademark der Kunstfigur Falco erfolgreich zuarbeitete.

Lehren und Wunder

Der 1957 in Wien-Margareten als Johann Hölzel geborene Musiker gilt in Österreich als Hausheiliger. Nach heiteren Lehr- und Wunderjahren bei der Hallucination Company und Drahdiwaberl wurde es dem Ego Hölzels hinter der Bassgitarre zu eng. Er wollte im Rampenlicht stehen, aus dem Hanse wurde mithilfe des Musikmanagers Markus Spiegel Falco – inspiriert vom DDR-Skispringer Falko Weißpflog.

Er debütierte 1982 mit dem Album Einzelhaft, das den Zeitgeist traf wie wenig andere in Österreich, und auch anderswo wurde das so wahrgenommen: Es legte den Grundstein für Falcos Karriere. Die Single Der Kommissar toppte in Österreich und Deutschland die Charts, zudem wurde das Album in Kanada, Finnland, Italien, Spanien und Japan veröffentlicht, eine englische Version von Auf der Flucht (On the Run) landete in den US-Top-Ten. Gut 750.000 Alben soll Einzelhaft weltweit abgesetzt haben. Nicht schlecht für einen Newcomer.

Gefestigter Status

Hierzulande schlug sich das in einer Steigerung des Selbstwertgefühls nieder, denn österreichischer Pop war bis dahin als Austropop meist ein nationales Phänomenchen – mit ein paar Ausreißern nach Deutschland.

1984 legte Falco mit Junge Roemer nach. Das Album floppte international, in Österreich aber festigte es seinen Status.

Der Titelsong oder Brillantin Brutal mit der Video-Hommage an Casablanca mit Cordula Reyer gelten hierzulande als Weltkulturerbe und implantierten dem Publikum ein Gefühl für den Begriff Coolness. Falco war zeitlebens ein polarisierender Charakter, wahlweise geliebt oder gehasst – in jedem Fall aber überzeugt von sich. Einmal sollte sich das als richtig bestätigen: Auf Falco 3 befand sich der Song Rock Me Amadeus, mit dem er im Frühjahr 1986 die US-Charts toppte, als erster weißer Rapper – wenn man ihn so sehen möchte.

Bombast und Kopien

Ähnliches gelang vor ihm nur einem anderen Österreicher: Anton Karas mit seinem zithrigen Thema für Carol Reeds Film Der dritte Mann, aber das war noch in der Zeitrechnung vor Pop. Die Single Vienna Calling verkaufte sich ebenfalls bestens, und selbst das aufgeplusterte Jeanny soll allein in Deutschland über zwei Millionen Mal abgesetzt worden sein.

Von ganz oben ging es dann bergab, der ephemere Weltstar konnte nicht adäquat nachlegen. Nach fehlgeschlagenen Versuchen, mittels Bombasts und schlechter Kopien en vogue zu bleiben, war Falco künstlerisch Ende der 1980er ein bisschen over. 1998 wurde er in der Dominikanischen Republik bei einem Autounfall aus dem Leben gerissen, mit gerade 40 Jahren.

Das ihn aktuell ehren sollende The Sound of Musik kompiliert rare Versionen seiner Hits wie einen um 20 Sekunden längeren Mix des schon regulär nur schwer auszusitzenden Data de Groove und ähnliche Aufreger für Sekunden- und Erbsenzähler. Und das alles in schön chronologischer Reihenfolge. Irrsinnig beeindruckend.

Um dem Phänomen noch etwas Neues abzugewinnen, muss nun offenbar schon die Stoppuhr bemüht werden.

(Karl Fluch, 28.1.2022)

 

Quelle:

DERSTANDARD.AT vom 31. Jänner 2022

Autor: Karl Fluch – Kulturredakteur „Der Standard“