Blog: Elfi Oberhuber über Falcos „Nachfahren“ im U4 zu dessen Todestag – 2008

KUNST ODER KOMMERZ II,b: FALCOS „NACHFAHREN“ IM U4 ZU DESSEN TODESTAG

Link zum Original Artikel (übernommen mit freundlicher Genehmigung von Elfi Oberhuber):

http://intimacy-art-critic.blogspot.co.at/2008/02/kunst-oder-kommerz-iib-falcos.html

Falcos Top-Originalband auf dem Weg zur Bühne (v.li.): US-Karriere-Schlagzeuger Thomas Lang, Bassist Bertl Pistracher, Multi-Instrumentalist Bernhard Rabitsch und E-Gitarrist Peter Paul Skrepek (Fotos © Elfi Oberhuber)

Bandleader Thomas Rabitsch mit Hansi Lang, der ein passabler Sänger vonNachtflug sein mag, aber an die Performance und Ausstrahlung von Falco nie heran kommt.
Der Linzer Skero trifft als Erster die Aura von Falco, und er verleiht Auf der Fluchtobendrein eine eigene Note …

… wozu Peter Paul Skrepek mit außergewöhnlicher E-Gitarren-Vibrierung spielt.

Birgit Denk macht aus Falcos Junge Römer ein weibliches Bekenntnis …

… worin Skrepek nicht nur ein starkes Solo gibt, sondern demnächst auch eine eigene, komplett neue Version mit viel Gitarre auf den Markt bringen wird.

U4 WIEN DIE ORIGINAL FALCO-BAND LUD ZU FALCOS 10. TODESTAG ÖSTERREICHISCHE NEWCOMER-INTERPRETEN ZU FALCOSNACHTFLUG EIN – EINE HEITERE CASTING-, FASCHINGS- UND NOSTALGIEPARTY ALS ANLASS ZUR ÜBERLEGUNG: „VON DER MUSIKALISCHEN KURZ- UND LANGFRISTIGKEIT“

Es war nach vergangenem Jahr der zweite Konzertdoppelabend, den die letzte Falco-Originalband um Bandleader Thomas Rabitsch, heuer, am 6. und 7.2.2008, anläßlich des 10. Todestags des legendären, österreichischen Popstars im Wiener U4 gab. Und da Falco nun mal nicht mehr ist, mußten seine größten Hits andere singen. „Andere“, wohlgemerkt, und nicht, „der andere“! – Könnte man der österreichischen Musikszene nach diesem Event attestieren, ein neues „Falco“-Kaliber gefunden zu haben, müßte sich über das allseits gelobte „Musikland“ Österreich niemand mehr Sorgen machen. Sorgen, die die Zukunft betreffen. So ist es aber nicht. Alles, was man nach dem Konzert sagen kann, ist: da servicierten absolute Spitzenmusiker als gute Väter „von adoptierten Babies“ mit ihrem technisch gut gespielten Musiknest. Sie wollten der neuen Generation an Genrevertretern die Ahnung eines Falco-Singularums vermitteln, ohne sich aber sicher sein zu können, ob das heute überhaupt noch von Relevanz ist.

Nur Falcos eigene Songs überleben

Denn die Moden haben sich geändert, mit ihnen der Zeitgeist, und damit die Bedeutung von kurzfristigem und langfristigem Wert. Und obwohl sich heute mehr denn je das kurzfristig und künstlich Aufgeblähte durchsetzt, trifft dieser Mechanismus langfristig gesehen, – nach wie vor und parodoxerweise – ausgerechnet jenen Teil von Falcos Hits, mit denen er Weltruhm erlangte. Wie sich herausstellt, scheinen nicht die kommerziellen Bolland-Lieder wie Rock Me Amadeus zu überleben, sondern jene Singer-Songwriter-Qualitätsstücke wie Auf der Flucht, Der Kommissar von Robert Ponger, Nachtflug von Harald Kloser oder Ganz Wien – Falcos von Musik bis Text einziges komplett selbst-erschaffenes Lied. Damit zeigt sich einmal mehr, dass die kurzfristigen, großen, aber auch vergänglichen Erfolge, die emotionalen Hochs einer Künstlerkarriere wohl durch marketing- und strategiebezogene Fremdeinflüsse hervorgerufen werden mögen – genauso wie sich das ängstliche Individuum zwecks kurzfristiger Entspannung schädigende Fremdkörper einführt, seien es Süßigkeiten, Alkohol, Drogen oder fremde Körperteile.

Den langfristigen Erfolg hingegen – und damit die langfristige Zufriedenheit eines Künstlers mit sich selbst – wird die Konzentration auf den eigenen Stil und die eigene Identität bringen. Sie garantiert in ihrer Einzigartigkeit das ausschließlich Unverwechselbare und damit das Echte und wertvoll Überlebensfähige. Selbst wenn das für den Künstler heißt, sein Leben in hohem Maß einsam – oder zumindest in mengenmäßig eingeschränktem Freundeskreis – verbringen zu müssen, und weniger im scheinbar großartigen „Hallo!“. Leider leidet unsere derzeitige (Musik-/Kunst-)Wirtschaft aber daran, dass den meisten Akteuren Zweiteres wichtiger ist als Ersteres. Viel Wertloses scheint mehr zu sein als wenig Wertvolles.

Die Top-Band-Musiker hinter action-reichem Falco-Event

Obwohl dieses actionreiche Falco-Event nun beschwingt und unterhaltsam spannend war, da einem für Langeweile einfach zu viele verschiedene Eindrücke geboten wurden, wird man in diesem eigenartigen Synergiekonzept hinsichtlich absolut bravourösen Kunstakts nicht fündig werden. Denn die Voraussetzungen dafür liegen zu diametral, die Absichten zu oberflächlich, egal, von welcher Seite aus man es betrachtet. Da wäre einerseits Falcos Band – heute alles erfahrene, äußerst professionelle Musiker, in den besten Fällen auch mit eigenem Klang wie von Peter Paul Skrepek an der subtil, – selbst im schreienden Hardrock verhalten-romantisch – klar tönenden Elektrogitarre, von Bernhard Rabitsch als vielfältiger Trompeten-Percussion-Instrumentalist, der auch noch singen kann, sowie vom inzwischen international anerkannten Schlagzeugkünstler mit eigens entwickelter Technik Thomas Lang, vom im Hintergrund unauffälligeren, aber exakt spielenden Bassisten Bertl Pistracher, und natürlich, von Thomas Rabitsch am Keyboard, dessen Professionalität als Bandleader, die gerne mit Kommerzialität abgetan wird, erst erkannt wird, wenn man zum Beispiel auf der DVD Falco L.I.V.E, das Niveau seines Standard-Sounds bei Falco-Konzerten in den 90-ern – wie eben 1993 auf der Donauinsel unter Rabitschs Bandleading – mit jenem in den 80ern unter Gitarrist-Bandleader Peter Vieweger vergleicht, dessen E-Gitarrenklang darüber hinaus ebenfalls typisch rock-standardisiert und kaum individuell klingt. – Bis auf Bob Dylans erdiges It´s All Over Now, Baby Blue mit ganz großartigem, echt jazzigem Bernhard-Rabitsch-Trompeten- sowie Otmar-Klein-Saxofon-Solo, klingt keine einzige Falco-Nummer im Stadthallen-Konzert 1986 besser als unter Rabitschs späterer Technik-Perfektion mit ausschließlich lyrischem Elektrogitarren-Solo von Peter Paul Skrepek als Highlight innerhalb des Soundteppichs:
Nur dadurch bleibt Falco mit seinem Gesang die personell gezielt gezeigte Attraktion innerhalb des Akts. – Weshalb er als Sänger auch sehr viel „können“ muss: von der theatralen Interpretation des Texts bis zur Sendung einer darüberliegenden auratischen Energie. Falco, der sich aus seinen Idolen Oskar Werner und David Bowie eine widersprüchlich sensible, arrogant-mondäne Mischung für seine Person zurecht gelegt hatte, erfüllte diese Aufgabe mit österreichisch-internationaler Bravour. Und genau dieser Widerspruch, der doch als Einheit so echt kam, weil Falco sich davon auffressen ließ, war und ist das Faszinierende an ihm, das die Zuschauer neben all der musikalischen Rhythmik und Originalität in den Bann zieht.

Die Interpreten aus dem Community-Topf

Und darauf hatten in besagtem Konzert nun die Interpreten zu reagieren, die aus dem community- und marketinggenährten Topf von FM4, Castingshows und Wiener-Dialekt-Alternativemusikszene kommen, sowie die zwei Falco-(Zeit)-Begleiter Hansi Lang und Stefan Weber von Drahdiwaberl. Insgesamt geschieht das als eine Faschingsveranstaltung, wo sich Sänger mit mehr oder weniger ernsthaftem Gedenken an Falco verkleiden. Und doch versucht der aufrichtige Musikfreund über seine wiederum eigenen Erinnerungen an Falco und persönliche Jugendzeit hinaus, in diesen Musikern so etwas wie Persönlichkeiten auszumachen. – Kann er das fernab von jedem Community-Vorliebe-Zwang, fällt ihm das, objektiv gesehen, schwer. Schon weil diese Sänger/innen hier nur als Solche auffallen, wenn sie irgendetwas vom Falco-Geist treffen und dennoch ein eigenes Charisma auszustrahlen in der Lage sind.

Es fängt enttäuschend an …

Hansi Lang repräsentiert mit seinem antiästhetischen Langhaarlook eher das Gegenteil einer Falco-Attraktivität (was die Einspielung von Falco via Monitor während des Konzerts noch einmal betont) – er wird daher trotz drei der besten Nummern wie Verdammt, wir leben noch, Ganz Wien und Nachtflug kaum einen Falco-Fan begeistern. Mieze Medusas Hip-Hop-Monarchy Now hat man nach zwei Sekunden vergessen. Das teuflisch genre-interpretierte Dance Mephisto von Georgij Makazaria im Soldatenanzug ist so sehr Klischee wie es ein Dark-Metal-Song nur sein kann, daher für jeden, der Falco kannte, so wie jener diesen Song theatral-teuflisch Wort-für-Wort erlebte, ein glattes Ärgernis – obwohl der ansonsten unter der Gruppe Russkaja formierte Musiker aus Georgien an-sich einer der profilstärksten und international vielversprechendsten Newcomer der Wiener Szene überhaupt ist.

Die zaghaften Talente hinter Falco

Das erste Aha-Erlebnis stellt sich dafür mit Skero – Martin «Skero One» Skerwald – von der Linzer Hip Hop Band Texta bei Auf der Flucht ein: in zu Falco als Interpretation passendem weißem Anzug verleiht er dem Song über die Abstumpfung der Berliner Freidenker-Szene ein zeitgemäß authentisches Flair, mit viel Eigenprofil und eigenem Klang, zu dem auch Peter Paul Skrepeks Gitarrenspiel bestens harmoniert – zwei Egos, die trotz Generationsunterschied zusammen passen.
Umso reifer und generationsebenbürtig mit den Musikern, die hier am Keyboard, an Elektrogitarre und Trompete jazzige Soli hinlegen, wirkt später als Persönlichkeit Birgit Denk. Die Sängerin, die sonst im Wiener Dialekt zur E-Gitarre singend zwischen Maria Bill und Ostbahn Kurti liegt, macht aus Junge Römer ein verständliches Frauenbekenntnis mit leicht atonaler, aber gekonnter Schrägtönung. Sie ist damit die stärkste Interpretin im ersten Drittel des Konzerts, obwohl sie das im Sound stark klingende Amerika danach ziemlich schwach singt.

Als weibliche Künstlerpersönlichkeit kann es mit ihr an diesem Abend nur Dorretta Carter aufnehmen, nicht, weil jene Emotional besser interpretieren würde, sondern weil jene einfach eine unheimlich starke, schwarze Frauenstimme mit all dem erdenklichen Drive hat, den man sich nur vorstellen kann.
Und eine erfreuliche Überraschung ist außerdem die, in einer der ersten Starmania-Staffeln entdeckte Vera Böhnisch in Hoch wie nie, das sie nach dem etwas hilflos im Doppel mit MADoppelT gesungenen Sound of Musik alleine, sehr individuell interpretiert: in einer leidenschaftlich und sexy ausgelebten Weise, die den Besucher entsprechend gefangen nimmt. Ihre eigenen elektronischen Stereotyp-Sachen unter dem Label L´Enfant Terrible im Stil eines afro-amerikanischen MTV-Abklatschs sehen dagegen ziemlich blaß aus. – Gerade hier zeigt sich, wie negativ sich derzeit die Macht des Musikmarkts auf echte Begabungen auswirken kann. Denn zuvor versuchte man diese junge Frau mit erotischer Ausstrahlung auf den Girl-von-nebenan-Stil einer Christl Stürmer gleich zu trimmen (CD mit irreführendem Titel: Anders) – ohne Erfolg, versteht sich.

Der Mann, der die Aura eines Falco am stärksten trifft, ist naheliegenderweise der deutsche Falco meets Amadeus-Musicaldarsteller Axel Herrig im Song Out Of The Dark. Er ist neben Dorretta Carter als Einziger in der Lage, den Raum mit seiner ureigenen Energie und zugleich mit seiner Stimme zu füllen.
Und Roman Gregory schafft es danach, die im Zuge des Abends angeheizte enthusiastische Stimmung, zu der es trotz des Nie-Herankommens-an-Falco immerhin kommt, in angenehm niveauvoller Art in Wiener Blut und in einem der besten Songs, Helden von Heute, zum Höhepunkt zu hieven.

Die überhaupt Vergessenen

Alles andere hat unser Wahrnehmungsapparat mehr oder weniger verdrängt: Den hüpfenden Andie Gabauer von Hot Pants Road Club bei Egoist und Männer des Westens, der lediglich noch als Mallorca-Touristen-Animateur vor unseren Augen springt, die sonst deutsch-modekitsch-popschlagernd singende Valerie Sajdik, die ein wenig stimmschwach und dafür zu hoch ihr zierliches Bein in Brillantin‘ Brutal nahm, und Stefan Weber, der mit seinem Urinkübel eher auf die Bühne des schlechten Geschmacks eines Villacher Faschings gehört als zum von Falco im Bereich Liebes-Krimi bereits genügend doppeldeutig aufgeladenen Epos Jeanny, denn das hat mit punkstarker Anarchie nichts mehr zu tun; ganz zu schweigen von den Friseuren, die aussehen wie Falco … e.o. / r.r.

DAS URTEIL WIE SICH DIESE TOP-FALCO-BANDMUSIKER WOHL VORKOMMEN, BEI DIESER FASCHINGSARTIGEN VERKLEIDUNGS-CASTINGSHOW? – ABER WAHRE GRÖSSE KENNT BEKANNTLICH KEINE EITELKEIT, UND EIN PAAR FALCO-INTERPRETEN WAREN JA AUCH NICHT SO SCHLECHT …

KONZERT Nachtflug – Zum 10. Todestag von Falco * Live on Stage: Die Original-Band & Gäste * Mit: Thomas Rabitsch (Keyboard), Bernhard Rabitsch (Percussion, Trompete), Peter Paul Skrepek (E-Gitarre), Bertl Pistracher (Bass), Thomas Lang (Schlagzeug) * Mit: Hansi Lang, Mieze Medusa, Georgij Makazaria, Skero, Diana Lueger, Andie Gabauer, Birgit Denk, Manuva & dephjoe, Valerie Sajdik, Michael P. Simoner, Die Ter, Stefan Weber, Austrofred, Doretta Carter, MADoppelT, Vera Böhnisch, TNT Jackson, Axel Herrig, Manuva & dephjoe & All, Peter „Fidschi“ Vieweger * Ort: U4 Wien * Zeit: 6.+7.2.2008: 22h

FILM Weltrevolution – Dokumentaion über Stefan Weber – Drahdiwaberl * Regie: Klaus Hundbichler * Mit: Stefan Weber, Drahdiwaberl, Hubsi Kramar, Peter Paul Skrepek, Reinhard Nowak u.v.m. * AT 2007, 91 Minuten * Ab 9.5.2008 in den Österreichischen Kinos * Vertrieb: Filmladen * Link: http://www.weltrevolution-derfilm.at/

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