„Denk mal in Gansbach“
Kommt er… oder ned?
Gedanken zum FALCO-Denkmal in Gansbach (NÖ)
Eine mehrdimensionale Wahrnehmung von Amadea S. Linzer
Seit Samstag, den 2. Juni hat der kleine Ort Gansbach im Dunkelsteinerwald (NÖ) ein Falco-Denkmal. Neben einer umstrittenen Statue in Gars am Kamp, die zwar Hans Hölzel darstellen soll, aber de facto den grantelnden Hans Moser zum Verwechseln ähnlich sieht, gibt die Skulptur in Gansbach ganz andere Rätsel auf.
In Kooperation mit der Marktgemeinde Dunkelsteinerwald hat die Künstlerin Katrin Plavcak ein Denkmal zu Ehren von Falco erschaffen, das sich in eigener Weise in den neu gestalteten Platz fügt. Man sieht eine vier Meter hohe Stahl-Konstruktion an einer Straßenecke, die bei Tageslicht so aussieht wie zwei im rechten Winkel ineinander geschobene Comic-Figuren. Dabei kann man weder ein Gesicht, noch (s)eine typische Frisur und nur in Andeutung seine Sonnenbrille erkennen. Und dennoch ist klar: das ist Falco.
Die Stahlkonstruktion kommt völlig ohne personifizierende Komponenten aus. Sie stellt lediglich eine Figur in seiner Pose dar, die bei Tageslicht aus zwei in sich verschränkten Teilen, nämlich einem weißen und einem schwarzen, ein Ganzes ergeben. Die beiden Hälften sind so ineinander gefügt, dass man meinen könnte, sie würden einander Halt geben und wären für das Gleichgewicht notwendig wie zwei Teile eine Kartenhauses, die in sich zusammenbrechen, sobald man das Gebilde nur leicht berührt.
Anders als die Statue in Gars, die wie ein unumstößlicher Fels mitten im Kurpark aufgepflanzt ist, wird Falco hier in einer tänzerischen Pose gezeigt. Auf Zehenspitzen stehend vermittelt die Figur nicht nur einen schwebenden, sondern zugleich instabilen Eindruck. Schwebt er? Steht er? Dreht er? Fällt er? Oder hält er das Gleichgewicht? Alles ist möglich.
Die Skulptur zeigt ihn in jener Haltung, in der sich Falco als Kunstfigur mit dem Album „Junge Römer“ 1984 bereits selbst ein Denkmal gesetzt hatte. Es ist jene Pose, die den charmant-arroganten Gestus so unverwechselbar ausdrückt, dass sie noch zu Lebzeiten zu einem seiner prägnanten Erkennungsmerkmale wurde. Und diese Figur kommt ohne Gesicht aus. Auch ohne Sonnenbrille. Die Pose genügt. Man kommt, sieht und weiß: Das ist Falco. Und damit ist im Grunde alles gesagt.
Wer aber nun glaubt, dass diese Schwarz-Weiß-Konstruktion, die sich übrigens von allen Seiten anders zeigt, schon alles ist, irrt gewaltig. Da ist mehr, viel mehr.
Freilich, man kann nun eine Diskussion führen über die Bedeutung der beiden Teile, deren in sich verschlungene Konstruktion ohnedies bereits die Antwort enthält. Sie zeigt die extreme Polarität von Licht und Schatten, von weiß & schwarz, ja von „light & dark“. Diese Zerrissenheit zwischen zwei Teilen, die einander so konträr waren wie Tag und Nacht, die aber letztlich in sich ein Ganzes bilden, dieses polare Sein war nicht nur ein weiteres identitätsprägendes Merkmal von Falco, sondern vor allem ein tief-wunder Schmerzpunkt im Leben von Hans Hölzel. „Amoi hoch und amoi tiaf, amoi gspritzt, dann wieder kloa.“
Genau das wird dem Besucher hier vor Augen geführt, wenn man sich um ihn dreht. Und man kann sich lange um ihn drehen und wird ihn immer in anderer Perspektive wahrnehmen. Mal mehr weiß, mal mehr schwarz, mal im Gegenlicht der Sonne, dann als Schattenspender, als Kulisse zum Hinaufschauen, als Kontrast zum eigenen Konterfei, als Wand zum coolen Anlehnen, natürlich auch als Hunde-Eck zum Anpinkeln (genauso wie er es selbstironisch prognostiziert hatte). Und vieles mehr. Alleine das: Großartig.
Das Geniale an dieser Konstruktion liegt aber weder auf der ästhetischen noch auf hermeneutischen Ebene, sondern in einer anderen Dimension. Das Magische an dieser Figur offenbart sich nicht nur im 360° Rundumgang bei Tageslicht, die volle Magie entpuppt sich erst im Wechselspiel von Tag und Nacht. Was bei Tageslicht Rätsel aufgibt und zu manch ästhetischer Diskussion anregt, mutiert nachts zu einem völlig anderen Szenario. Die Skulptur offenbart in der Dunkelheit das, wozu Falco seit 1998 im Energetischen wie im Herzen seiner Fans geworden ist: eine überdimensional große, von Weitem sichtbare, hell strahlende Lichtgestalt.
Durch die gezielte Beleuchtung bei Dunkelheit verwandelt sich der gesamte Platz in eine magische Bühne, in dessen Mittelpunkt der strahlende Falco im gönnerhaften Gestus zum Selfie-Machen einlädt. Man kann sich nun in seinen Schatten stellen oder in seinem Glanz suhlen. Man kann aber auch mit dem Faszinosum von rötlichem Licht & Schatten selbst in Dialog treten und sich in neuen, ungewohnten Posen ausprobieren. Will man ihn eher hell oder dunkel? Von unten oder von der Seite? Dabei kommt dem Schattenspiel seiner Hand ganz zufällig eine spezielle Rolle zu. Der Handschatten wirkt wie ein auf den Körper projiziertes Geschlechtsteil. Ob diese Projektion von der Künstlerin beabsichtigt oder von ihm so gesteuert war, bleibt unbeantwortet. Die Frage allein schwört sein Grinsen herauf. Der Schmäh ist gelungen. Kennt’s eich aus?
Im Ernst: Dieses Denkmal hat nicht nur eine darstellende Funktion für die Kunstfigur Falco, sondern sie wirkt zugleich auch als Kommunikator für Energien, die sich im Wechselspiel von Licht und Schatten abzeichnen. Man muss hier keine Kerzen anzünden und seinen Spirit heraufbeschwören. Es funktioniert anders.
Dass dieser lebendige Faktor automatisch den Impuls für die Produktion von Selfies auslöst, mit denen man sich heute ganz individuell über die sozialen Netzwerke mitzuteilen vermag, ist von der Erschafferin Katrin Plavcak durchaus erwünscht. Dass damit nicht nur die Besucher eine eigene Bühne der Selbstdarstellung bekommen haben, sondern IHM selbst ein weiterer „Sende-Kanal“ seiner Energie erschaffen wurde, liegt übrigens ganz in SEINEM Sinne. Von wegen: Es ist herrlich!
Ein naturalistisches Denkmal würde dem vielgesichtigen Hans Hölzel ohnedies niemals gerecht werden. Es wäre ihm nicht nur zu eindimensional, sondern würde in Kürze zur ultimativen Hunde-Station verkommen. Eine multifunktionale Skulptur aber, die zur Selbstdarstellung in Licht und Schatten einlädt, wird über kurz oder lang ein eigenes Kraftfeld aufbauen. Und das ist sehr Falco.
A propos Kraft. Interessanterweise gehört zu diesem Ensemble auch ein mehrerer Tonnen schwerer Granitstein aus dem Dunkelsteinerwald, der neben der Skulptur platziert wurde und gemeinsam mit Falco den Kometen repräsentieren soll, den er (in Anlehnung an Nestroy übrigens) mit der Textzeile „Kommt der Komet oder kommt er zu spät“ zitiert. Der Stein allein soll den kometenhaften Einschlag darstellen, mit dem im übertragenen Sinn natürlich ebenso ER selbst gemeint sein kann.
Zugegeben, diese Zutat ist das einzige Detail im Ensemble, das einer Erklärung bedarf. Für die unbedarfte Besucherin aus der Großstadt könnte ein aufgestellter Granitstein durchaus auch ein landschaftsimmanentes Phänomen sein. Was weiß man schon. Aber um diesem Irrtum nicht aufzusitzen, liest man dann an einer Tafel, wie es von der Künstlerin gemeint ist.
Worüber sich nicht nur manche Fans, sondern vor allem der geistlose Kritikaster bereits im Vorfeld gewundert hat, war der außergewöhnliche Standort. Warum ausgerechnet Gansbach?
Spätestens seit der Eröffnungsfeierlichkeiten ist es auch für die Nicht-Eingeweihten bekannt: Gansbach ist Falcos Vater-Dorf. Und genau dort hat ein Falco-Denkmal nicht nur die Funktion, die Region auf längere Sicht touristisch aufzuwerten. Dass das Denkmal in unmittelbarer Nähe des Hauses von Alois Hölzel errichtet wurde, hat im Grunde eine heilsame Funktion – vermutlich für beide: für den 90-jährigen Vater, der aus seinem gewachsenen So-Sein seinem Sohn nie sagen konnte, was dieser so sehr gebraucht hätte. Und für Hans selbst, der sich innerlich Lichtjahre von seinem Vater entfernen musste, um der zu werden, der er zu sein auf die Welt gekommen ist: eine Lichtgestalt in der Österreichischen Kulturlandschaft.
Wenn im Jahr 20 nach dem physischen Tod von Hans Hölzel nun sein stets im Hintergrund gebliebener Vater zu Interviews gebeten wird, so offen und zugänglich alle Fragen beantwortet und sich am Ende der Zeremonie bei den Festgästen tränengerührt dafür bedankt, dass man „seinen Sohn nicht vergisst“, spätestens dann weiß man, dass dieser liebevolle, bescheidene wie auch humorvolle Mann dem „Falco“ nicht nur verblüffend ähnlich sieht, sondern dass er in seinem Herzen so eindeutig der liebende Vater seines verlorenen Sohnes ist.
Damit erübrigt sich auch die Frage, was ER himself zu diesem „Denkmal“ sagen würde. Wer es erleben will, fährt einfach hin und beobachtet. Eines ist klar: Während im Jahr 2008 die Statue in Gars am Kamp aufgrund des starken Regens bei der Eröffnung selbst fast ins Wasser fiel, so haben sich zehn Jahre später in Gansbach die Gewitterwolken kurz vor dem Festakt verzogen und der Himmel rechtzeitig aufgeklart. Die Feierlichkeiten fanden diesmal bei strahlendem Sonnenschein statt. Der Rest ist selbstredend. Man komme, schaue und mache sich selbst ein Bild.
=> TV-Bericht