Coming Home… der anderen Art
Gedanken zur Austellung „FALCO in Gars am Kamp“, Theatermuseum Hannover, 19.10. – 17.3.2019. Ein Bericht von Amadea S. Linzer
Seit 19.10. ist in Hannover möglich, was in Wien bisher nicht zustande kam: eine Falco-Ausstellung. Bis 17.3.2019 gibt das Theatermuseum Hannover Einblicke in die Räumlichkeiten der Falco-Villa in Gars am Kamp, wo sich Hans Hölzel immer wieder zurückgezogen hat, um sich von seinem Alter Ego Falco zu erholen. Die ausgestellten Fotos und persönlichen Gegenstände aus dem Haus erzählen über den Menschen hinter dem Popstar. Eine bemerkenswerte Sonderausstellung in Norddeutschland, die bereits im Vorfeld heftige Diskussionen ausgelöst hat.
Zugegeben, es kommt nicht oft vor, dass 20 Jahre nach dem Tod einer Person der Wohnraum inklusive Inventar unverändert geblieben ist und so viel Persönliches aufbewahrt, als wäre der Hausherr nur schnell mal zur Tankstelle gefahren Zigaretten holen und würde gleich wieder zurückkommen. In so ein Energiefeld einzutreten verlangt eine besondere Erlaubnis. Die Dinge von dort dann auch hinauszutragen, um sie der Welt zu zeigen, lässt einen speziellen Auftrag erahnen. In diesem Fall lautet er: „Ich bin für euch ein offenes Buch. Schaut’s eini. Ich hab nichts zu verbergen“. (O-Ton himself)
Und auch wenn der Auftrag klar ist, so stellt sich die Frage: Was zeigt man? Was zeigt man lieber nicht? Woran erkennt man Falco und was hätte man ihm nie zugetraut? Die Gratwanderung zwischen Exponieren und Denunzieren wird bei einer Ausstellung von Privatem natürlich immer scharf angepeilt. In diesem Fall aber gut gemeistert.
Ausgangspunkt für die Ausstellung war nicht die Erfolgsgeschichte von Falco, sondern sein Rückzugsort in Gars am Kamp. Das Haus, das seit 20 Jahren in einem dornröschen-ähnlichen Zustand schlummert, hat es dem Direktor des Theatermuseums in Hannover, Dr. Carsten Niemann, angetan. Er hat die Villa besucht und ist vor Ort tief in die „Zeitkapsel“ eingedrungen. Zutage kam die bürgerliche Seite von Hans Hölzel. Eine Seite, die die Öffentlichkeit Zeit seines Lebens so nicht kannte. Die überschaubare Größe des Hauses, der hybride Stilmix des Interieurs und die vielen zum Teil pittoresken Details überraschen jene, die einen falconisch- feudalen Wohnsitz erwarten. Den gab es nicht. Es scheint, als hätte Carsten Niemann den exzentrischen Falco gesucht und hinter den Mauern einen für ihn unerwartet bescheidenen Hans Hölzel gefunden. Das berührt.
So sind es intime, aber auch sehr ungewöhnliche Einblicke, die die Ausstellung zeigt, denn man ließ sich von keinerlei Star-Image des Hausherren blenden. Zwar gibt es Goldene Schallplatten zu sehen, manche Preise und Bambis, aber sie wirken neben den Alltagsgegenständen und Devotionalien aus der Villa eher wie historische Boten aus einer Zeit, als Falco mit Preisen überhäuft wurde und Weltkarriere gemacht hat.
Im Zuge der Recherche-Arbeiten durchstreifte Dr. Niemann aber nicht nur Räume und Ablageflächen, er öffnete auch Kästen, Schränke und Schubladen. Dabei blieb sein Blick aber ein stets menschlicher. Die Ausstellung sollte nicht denunzieren, sondern von einem Menschen erzählen, den man von damals so ganz anders in Erinnerung hatte. Aus dieser interessierten und zugleich respektvollen Haltung ist diese Ausstellung entstanden, die viel Bekanntes aber selbst für Falco-Kenner berührend Neues zeigt.
Der Aufbau der Ausstellung lässt gemäß der Raumaufteilung im Haus den Gang durch die Villa erahnen. Gleich zu Beginn wird man durch die Garderobe geführt. Man sieht ein Paar offensichtlich getragene Schuhe mit Regenspritzern, daneben die legendäre Breitling-Kappe, die Falco u.a. während der Zeit in der Zusammenarbeit mit der „schule für dichtung“ (1994/95) getragen hatte, sowie sein Kommissar-Hut mit Burberry-Schal.
Der Weg führt in die Küche, wovon großformatige Fotos die Küchenzeile im Mama-gerechten, aufgeräumten Zustand zeigen. Abgesehen von den fast schon zum Klischee mutierten Kaffeehäferln mit der antiquierten Aufschrift „Hansi“ und „Maria“ sieht man in im Schaukasten auch eine geöffnete Packung gemahlenen Kaffee, Filterpapier, Würfelzucker sowie eine Garnitur aus veredeltem Besteck. Zitate aus dem Küchenalltag, den die Mutter bekannterweise sehr mitgeprägt hat.
Alleine das sind Belegexemplare für den speziellen Mix aus Hans Hölzels Normalo-Identität und Falco’s Handschrift. Damit wäre inhaltlich alles gesagt, denn dieser Dialog zwischen Casual und Edelbürgerlich zieht sich wie ein roter Faden durch alle Räume der Villa.
Man sieht Großaufnahmen vom Studio, Stiegenhaus, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer – inklusive der diversen Shampoos und kosmetischen Accessoires, deren Zurschaustellung mittlerweile jedoch nicht mehr erstaunt, weil die Fotos davon bereits in kleinformatigen Zeitungen mehrmals kolportiert wurden. Die Exponate sind in Schaukästen zwischen antiquierten Theaterbodenbrettern und originalen Falco-Schallplattenhüllen drapiert, was den Besucher immer auch eine historische Zuordnung ermöglicht. Daneben geben ausführlich beschriebene Texttafeln Auskunft über die Biografie.
Der Spaziergang durch das Museum vermittelt viel Information für den Bauch. Je weiter man vordringt, um so mehr vergisst man auf Falco und umso näher rückt der Hans. Dabei ist die Ausstellung kein falconisches Disneyland. Die nüchterne, fast improvisatorisch anmutende Präsentation tut gut.
Weniger beeindruckend für mich, weil vielleicht um einen Hauch zu intim, sind seine Kosmetika wie Rasierpinsel, Duschgel und Haarshampoo. Auch der graue Bademantel, dessen Nimbus in einer bestimmten TV-Doku schon entweiht wurde, ist bekannt. Aber eines der vielen energetisch immer noch geladenen Stücke der Ausstellung ist sein Globus, der auf einer Anrichte im Studio stand und dessen Anblick erahnen lässt, wie die gelenkigen Finger des Besitzers über die erleuchteten Kontinente streifen.
Berührend auch ein Brief vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der seine Freude über Falcos Comeback im Zuge der Nachtflug-Tournee (1993) zum Ausdruck bringt. (Der Brief von Tina Turner sowie das Foto des Triumvirats Wolfgang Bauer, H.C. Artmann, Falco wurden bereits 2016 im Mozarthaus gezeigt.) Historisch interessant hingegen die Zahlungsbestätigung von Leopold Hawelka für die Geburtstagsfeier zu Falcos 30er im Café Hawelka.
Diese Erinnerungen reihen sich im Schauraum an beiläufige Alltagsgegenstände wie ein Feuerzeug mit der Firmenaufschrift einer Tankstelle, eine angebrochene Packung Zigaretten, Aschenbecher, eine TV-Fernbedienung, Bücher, CDs ein Bass-Fachmagazin oder ein paar abgetragene Handschuhe. Persönliche Gegenstände, die von ihm Privates erzählen und spürbar seine Energie transportieren.
Auffallend ist, dass die Ausstellung mit Ausnahme der beiden Titel-Fotografien von Rainer Hosch ganz ohne Falco-Fotos auskommt. Zwar wird die Schau ergänzt durch das Radio-Interview von Claudia Stöckl (1997) und Falcos TV-Auftritt bei Blacky Fuchsberger (1986). Ein besonderer Genuss bietet in einem Extra-Raum auf einer Video-Wand der unbearbeitete ORF-Original-Mitschnitt vom Donauinselkonzert. Aber darüber hinaus gibt es keine Falco-Fotos. Man sieht ihn also wirklich nur anhand der Gegenstände.
Dabei steht auch die Frage im Raum, was NICHT gezeigt wird. Im Gespräch weist der Direktor darauf hin, dass er bewusst einen bloßstellenden Blick vermieden hat. Nicht der Falco als Exzessberüchtigter sollte vorgeführt werden, sondern der Hans in seinem So-Sein. Deshalb wurde auf intime, heikle Details, die auch zwanzig Jahre nach seinem Tod für keine Öffentlichkeit bestimmt sind, in respektvoller Weise bewusst verzichtet. Das spürt man. Und das tut gut. Denn dass sich in dieser Zeitkapsel noch viel Persönliches verbirgt, ist klar.
Das deutsche Publikumaber lernt auf diese Weise einen Hans Hölzel kennen, den wir in Österreich in ihm immer vermutet haben, nämlich einen Menschen im Spannungsfeld zwischen Exzentrik, Rückzugswunsch und Bürgerlichkeit. Das Besondere dabei sind nicht seine Schuhe und Hemden, auch nicht die Kaffeehäferl, sondern das Nebeneinander der Welten, die hinter den Mauern der verschlossenen Jugendstilvilla seit Jahrzehnten konserviert werden.
Neu ist dabei vor allem der spezielle Fokus darauf.Gesucht wurde die Privatperson hinter dem Genius. Gefunden wurde eine Person mit Sehnsucht hinter ihrer Bürgerlichkeit. Ein Zustand, der für den Direktor auch mir einer „erschreckenden Komponente“ behaftet ist, bedenkt man, dass Falco auf dem beschaulichen Anwesen, nicht nur das Leben eines Privatmannes, sondern vor allem auch das Leben des Sohnes einer dominanten Mutter gelebt hat.
In Summe ist auch diese Wahrnehmung eine ungewöhnlich kritische, die sich in dieser Deutlichkeit erst aus der Distanz formulieren lässt. Mittlerweile haben wir die zeitliche Bannmeile von 20 Jahren ja bereits überschritten. Man hat einen anderen Zugang zur Materie und darf nun Fragen stellen und Dinge zeigen, die lange Zeit nicht gefragt und gezeigt werden durften.
So wirft die Ausstellung natürlich auch die Frage nach einem eigenen Falco-Museum auf. Was in Gars aufgrund der baulich ungünstigen Gegebenheiten der Villa vor Ort nicht realisierbar ist, könnte mit einer Art Wander-Ausstellung eventuell gelöst werden. Das Interesse von Seiten des Publikums ist groß und es wäre an der Zeit, den historischen Blick auf Falco endlich zu beginnen.
Die Falco-Schau in Hannover wäre diesbezüglich ein erster Schritt in diese Richtung. Weitere sind im Wien-Museum oder im österreichischen Literaturmuseum durchaus vorstellbar. Warum nicht. Das heißt: Warum nicht schon längst?
Es ist ein österreichisches Phänomen, dass die Pioniere hierzulande zunächst als Nestbeschmutzer verurteilt werden, um dann Jahrzehnte nach dem Tod als Säulenheilige aufzuerstehen. Im Falle von Falco hat die posthume Verehrung zwar sakrosankte Ausmaße angenommen, die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Wirkens und Werkes blieb jedoch aus. Dieses Kapitel fehlt noch. Und es fehlt schmerzlich, denn er hat als Künstler historisch Einzigartiges geleistet. Insofern wird man die Villa inventarisieren, dokumentieren und Sehenswertes davon im kulturellen Kontext zeigen müssen. Das Interesse daran ist größer denn je.
Aber offenbar muss der Impuls dafür aus dem Ausland kommen, denn für die Freunde, Fans und Followers ist entweder „der Hansi“ als Person selbst oder die Materie scheinbar zu vertraut, um darin einen wissenschaftlichen Wert zu erkennen. Das mag ein Grund sein, weshalb seit Jahren nichts dergleichen geschehen ist.
Für den Direktor unverständlich. „Das hat er sich doch allemal verdient“, betont er mehrmals. Definitiv. Insofern ist mit dieser Ausstellung ein erster Schritt erfolgt.
Bleibt die obligate Frage offen, ob es IHM gefallen würde?
Man muss kein spirituelles Medium sein, um diese Frage zu beantworten. Hans hatte sich in privaten Kontakten stets gewünscht, als Mensch gesehen zu werden. Wäre das öfter geschehen, könnte man sich 20 Jahre nach seinem Tod die Zurschaustellung der Haarshampoos und Feuerzeuge sparen. Wer ihn fühlen kann, ahnt, dass diese Vorführung der Details einerseits seinen Schmerzpunkt berührt und zugleich aber auch im Nachhinein seine Belustigung auszulösen vermag. Natürlich steckt hinter dieser spirituellen Heiterkeit die Genugtuung, dass mit der Ausstellung nun etwas gezeigt wird, was ihm selbst zu zeigen seinerzeit offenbar viel zu wenig gelungen ist: seine Existenz als Hans Hölzel. Im Falle von Falco ein Lebensthema.
Dass der Blick darauf von Deutschland ausgeht, ist naheliegend. Die Propheten im eigenen Land sieht man nicht. Und wenn es jemanden gelingt, die seit 20 Jahren dicht verwachsenen Dornröschen-Mauern zu durchbrechen, dann kann dieser Impuls nur vom Ausland kommen. Die wertfreie Wahrnehmung, die emotionslose Distanz wie auch der objektive Blick fehlen in Österreich immer noch. Genau dafür ist das Land zu klein. Hier wird Falco posthum entweder zum Heiligen stilisiert oder zum Hansi degradiert, den alle persönlich gekannt haben. Der Abstand von der Wiener Insider-Szene zur Theaterlandschaft in Hannover dürfte nun gerade die richtige Entfernung sein, in der der Hans Hölzel hinter dem Falco in einem ganz anderen Licht sichtbar werden kann, nämlich in jenem Feld, wo er zu Lebzeiten keine Gelegenheit mehr hatte sich selbst zu exponieren: im Umfeld von Theater, Literatur und Kunst.
Wenn die Besucher bei der Eröffnungsfeier angeregte Gespräche führen, von Gänsehaut reden und meinen, er wäre so sehr präsent, dann mag das eine Bestätigung dafür sein, was die Schreiberin dieser Zeilen seit Jahren weiß: Hansi gibt’s kan mehr. Aber ER lebt. Und wie.
Wer es nicht glauben kann, möge sich selbst überzeugen. Dieser „Besuch bei Falco“ ist die Reise nach Hannover wert.
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Mit herzlichem Dank an Dr. Carsten Niemann für die freundlichen und offenen Gespräche.
Die Ausstellung ist bis 19. März im Theatermuseum Hannover zu sehen. => Info
Text & Beitragfotos:
Amadea S. Linzer
Mit freundlicher Genehmigung von Amadea S. Linzer – Blogbeitrag auf amadealiestfalco.at