Gestern, am 12. juni, wäre Hans Carl Artmann († 4. Dezember 2000 in Wien) 100 Jahre alt geworden.
Er veröffentlichte ab 1947 erste literarische Texte im Hörfunk und in der Zeitschrift „Neue Wege“. 1951 war er Mitglied des „Art Clubs“. Seit 1952 arbeitete er mit Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Friedrich Achleitner und Oswald Wiener zusammen in der „Wiener Gruppe“, von der er sich aber 1958 distanzierte. Bei dieser Zusammenarbeit erschienen Dramen und Lautgedichte, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie jeglichen Grammatik- und Sinnanspruch aufgeben.
In dasselbe Jahr 1958 fällt sein größter Publikumserfolg – der Gedichtband „med ana schwoazzn dintn„, mit dem er dem Genre des Dialektgedichts zum Durchbruch verhalf, das er allerdings als ein Experiment unter vielen ansah. Tatsächlich ist die Verwendung des „Wienerischen“ nicht typisch für sein gesamtes Werk. Artmanns Romane, seine Lyrik und seine Erzählungen sind geprägt von einem spielerischen Surrealismus und einem vom Dadaismus beeinflussten Spiel mit der Sprache.
H.C. Artmann in der © schule für dichtung 1992
Als „stiller Höhepunkt“ im Leben von Falco galt der Tag, an dem er mit den Literaten H.C. Artmann und Wolfgang Bauer zusammengekommen ist. Es war am 22.4.1995 im Zuge der „Nacht der Poesie“ in den Wiener Sophiensälen.
„ja, ich mache das. ich spiele dieses konzert. aber was soll ich spielen? ich kann doch nicht »drah di net um« spielen. das kann ich einfach nicht tun. das würde nicht passen. stell dir vor, der h.c. artmann ist dort und hört das! der dreht sich um und ergreift die flucht.“ (FALCO 1995)
Dieses Zitat stammt aus den Vorbereitungen der „Nacht der Poesie“, ein Event, der auf Falcos Initiative zur finanziellen Rettung der „schule für dichtung“ über die Bühne ging. Anstelle eigener Songs aus seinem bis dato bereits weltweit anerkanntem Repertoire hat sich Hans damals aus Ehrfurcht vor den im Publikum anwesenden Dichter-Persönlichkeiten, H.C. Artmann und Wolfgang Bauer, doch lieber für die Performance von Beatles-Songs entschieden:
Baby You Can Drive My Car / She loves you / Back in the USSR:
Stg Pepper’s Lonely Heart’s Club Band:
Weniger bekannt ist, dass folgendes Bild in Falcos Villa in Gars am Kamp einen besonderen Platz eingenommen hat. Es bestätigt, wie sehr sich FALCO den Literaten verbunden gefühlt hat. Seine Sehnsucht nach Anerkennung seines textlichen Werkes war enorm:
(Hans Hölzel, Wolfgang Bauer, H.C. Artmann)
Deshalb ist dieses Bild auch so besonders. Es zeigt nicht Falco den Popstar, sondern Hans Hölzel, den Sprachpoeten, der sich heute im Kreise der Dichter und Denker wohl noch viel mehr entfalten würde, als man es ihm damals zugetraut hat.
„Schreibt FALCO Texte? Wenn ja, wie?“
Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Eine hat ER selbst so formuliert:
„Wie schreib ich meine Texte? Sehr journalistisch. Ich recherchiere Suggestionen, die schreib i ab oder geb’s in die EDV, katalogisiert unter gewissen Begriffszuordnungen. Gibt’s olles im Textverarbeitungsprogramm, ist kein Problem. Ich recherchiere… ich objektiviere… i schmeiß weg…recherchiere wieder. Und zum Schluss schreib i‘ s ob.“ (FALCO 1990)
Eine andere Antwort ist die Erinnerung an seine, der Öffentlichkeit nahezu verborgen gebliebene Lehrtätigkeit an der „schule für dichtung“ in Wien, wo er auf Einladung von Christian Ide Hintze eine eigene Poetry-Klasse geleitet hat. „Schreibt FALCO Texte? Wenn ja, wie?“ lautete das Thema der kleinen Gruppe, denen er Einblicke in seine Arbeitsweise als Dichter gegeben hat.
Die Wahrnehmung als Sprachkünstler war eine seiner wenig bekannten Lebensträume. Sein Beruf als „Popstar“ sowie der Druck, dafür nicht nur ästhetisch Originelles sondern auch verkaufstechnisch Erfolgreiches zu schreiben, waren mit seinem literarischen Talent nur wenig kompatibel. Insofern war dieser Tag ein vielleicht stiller, aber umso bedeutsamer Höhepunkt in seinem Leben.
Vor allem aber die Begegnung mit seinen literarischen Vorbildern: H.C Artmann und Wolfgang Bauer blieb ein unvergessenes Erlebnis !
FALCO-NET LINK:
FALCO liest Beat & Anderes – 18.05.1995
BUCHTIPP:
„Viva la Poesia“
Allen Ginsberg, Nick Cave, Falco. Hg. v. Christian Ide Hintze
Residenz Verlag 2002
Text & Redaktion:
Amadea S. Linzer