Artikel: Comic über Falco – Rauschhafter Reigen

COMIC ÜBER FALCO:
Rauschhafter Reigen

Die Stunde vor Falcos Tod ist in einem neuen Comic ein Freiraum für Halluzinationen und Rückblicke.

Quelle: Wiener Zeitung vom 06.02.2023 – 17:00 Uhr

„Zwei“ „eins“ … los! Zahlen und Rhythmen spielen in Arnulf Rödlers Comic-Biografie über Hans Hölzel aka Falco eine zentrale Rolle. Doch auch eine barocke Ästhetik des Todes springt ins Auge. Um sich darin einzufinden, braucht man etwas Zeit. Zur Orientierung: „Wir befinden uns in einer schmierigen Spelunke zwischen Puerta Plata und Villa Montellano in der Dominikanischen Republik, auf der Insel Hispaniola!“ Es ist der 6. Februar 1998. Ein kleines Briefchen mit weißem Pulver hat gerade den Besitzer gewechselt.

Der Wiener Illustrator und Zeichner Rödler gehört nicht zu den eingeschworenen Falco-Fans. Es war der Verlag (Knesebeck), der an ihn herangetreten war, mit dem Vorschlag einer Falco-Biografie. Nur vier Monate hatte der Zeichner dafür Zeit, damit der Band „Falco. Leben und Sterben des Hans Hölzel“ zeitgerecht zum 25. Todestag des österreichischen Ausnahmekünstlers erscheinen konnte. Die skeptische Haltung gegenüber dem Pop-Star geriet ihm dabei nicht zum Nachteil. „Er ist mir sympathischer geworden“, räumt der Autor inzwischen ein.

Leerstelle vor dem Tod

Um nicht lediglich eine weitere Biografie an die bereits bestehenden hinzuzufügen, hat sich Rödler eine Leerstelle in Falcos Leben ausgesucht: die Zeitspanne unmittelbar vor seinem Autounfall. Dieses Intervall aus 65 Minuten, für das es kaum Anhaltspunkte gibt, bietet dem Autor Freiraum, den er für seinen Comic intensiv nutzt. Splitterhaft lässt er auf knapp 90 gezeichneten Seiten Szenen aus Falcos Künstlerleben Revue passieren. In einem pompösen rauschhaften Reigen tauchen neben Gestalten aus der realen Vergangenheit, darunter Lehrmeister und Wegbegleiter wie Stefan Weber und Hansi Lang, auch andere Geister auf: Jeanny aus der gleichnamigen Song-Serie sowie Mozart mit dem Gesicht des Todes. Den historischen Rahmen zu dieser „deca-dance“ macabre („Titanic“) liefern zum einen die gesicherten Obduktionsdaten, die nach Falcos fatalem Unfall ermittelt wurden und äußerst hohe Alkohol- und Drogenwerte (Kokain, Marihuana) im Blut nachwiesen. Zum anderen hatte Österreichs wilder Wunderknabe gerade eine schon Jahre andauernde Krise zu überwinden. Mit seinem Album „Out of the Dark (Into the Light)“, das, unvollendet zwar, aber nur wenige Wochen nach seinem Tod erscheinen wird, erhoffte er sich ein starkes Comeback.

In einer Mischung aus Albtraum und Halluzination zeigt der Zeichner den Musiker im inneren Hader mit der Welt, verfolgt von Gespenstern der Vergangenheit, teils verwandelt in Tiergestalten, die ihm „Botschaften seines Gewissens“ übermitteln und gar die Leviten lesen. „Schande, Hölzel!! (…) Das wird kein Comeback! (…) Du musst deine Musik wieder selbst machen, Hans!“

Hinter Gittern

Hin- und hergerissen zwischen Hölzel und Falco, zwischen Privatperson und Kunstfigur sei der Künstler in der Maskerade zu sehr sich selbst entglitten. In der Rückbesinnung auf seine Stärken entdeckt der Erfinder des Manhattan-Schönbrunner-Deutsch, der Anfang der 1990er Jahre mit der Wiener Schule für Dichtung zusammengearbeitet hatte, unter anderem auch seine Herkunft von der Sprache.

Inmitten dieses morbid-surrealen Chaos bietet das durchgehende Panelgitter aus zwölf quadratischen Kästchen pro Seite einen Kontrapunkt der Ruhe, in dem sich jedoch auch die unerbittliche Strenge des Zeitablaufs ausdrückt. Weiße Fadenstriche führen den Blick entlang verstreuter Textzeilen, während sich die Bildkästchen oftmals wie Puzzleteile zu einem Ganzen zusammensetzen. Neben dieser Technik der Split-Panels und einer rasanten Dynamik der Zeichnungen benutzt der Autor auch Farbkontraste. So werden die in Grau- und Schwarztönen kolorierten Bilder mitunter durch sparsame Farbfetzen aufgelockert, gelegentlich regelrecht von roter Farbe überzogen. Bezeichnend ist die konzeptuelle Arbeitsweise des Künstlers, die sich beispielsweise in der Verwendung eines Zitats aus dem „Jeanny“-Video offenbart, in dem der mutmaßliche Verbrecher, gespielt von Falco, zuletzt im Gefängnis landet. Im Comic ist es der Musiker selbst, den Jeanny hinter Gitter bringt. Die Form des Gefängnisgitters entspricht dabei, der Form des Panelrasters, hinter dem sich die grafische Falco-Geschichte abspielt. Schließlich verstrickt Mozart, als personifizierter Tod, Falco in ein hypnotisierendes Gespräch, im Rückwärtszählen sucht er den Ursprung seines Unglücks zu ergründen. Der Countdown, der scheinbar bei der Zahl „drei“ endet, knüpft an den Anfang des Comics an.

 


 

FALCO.NET Artikel über die BUCHPRÄSENTATION:

„FALCO – Leben und Sterben des Hans Hölzel“ – Graphic Novel von Arnulf Rödler

 


 

Quelle: Wiener Zeitung vom 06.02.2023 – 17:00 Uhr

 


artikel-zum-25-todestag-06-02-2023