„FALCO in Gars“
Zur Sonderausstellung im Zeitbrücke Museum Gars
03.07. – 26.09.2021
Mit einem musikalischen Auftakt im Sinne Falcos wurde am 02.07.2021 in Gars am Kamp (NÖ) die Sonderausstellung „FALCO in Gars“ eröffnet. Neben den historischen und archäologischen Schauräumen im Zeitbrücke Museum bildet sie eine zeitgeschichtliche Ergänzung, die das Leben von FALCO (1957-1998) in seiner Wahlheimat Gars auf engem Raum beeindruckend dokumentiert.
Wie macht man eine Ausstellung von einem großen Star in einem kleinen Raum?
Mit dieser Kernfrage ist der stellvertretende Direktor des Zeitbrücke Museums Rudolf Winglhofer jun. vor wenigen Wochen an das Thema „FALCO in Gars“ herangegangen. Er selbst hat Falco hier nicht persönlich erlebt, sich dem Thema aber aus der Distanz von fast 25 Jahren Schritt für Schritt behutsam angenähert. Das Ergebnis ist eine multimediale Sonderschau im Zeitbrücke Museum, in der zwar der Superstar als bekanntes Prädikat mit besonderen Exponaten zitiert wird, aber der Fokus viel weiter reicht, als die musikalischen Welterfolge uns bisher erzählt haben. Erstmals seit 25 Jahren dürfen wir den Menschen hinter dem Star ein bisschen näher kennen lernen.
Und das tut gut, denn vom hohen Podest, auf das er gehoben wurde, kann er nicht mehr herunterfallen, sondern nur mehr in seinem Sein „ganz“ gesehen werden. Genau dazu trägt diese Ausstellung in besonderer Weise bei.
Rudolf Winglhofer jun.
Hans Hölzel hat sich den Kurort Gars am Kamp Ende der achtziger Jahre als Rückzugsort ausgesucht. Zunächst war es das Bio-Trainings-Resort von Willi Dungl, dessen damals einzigartige Heil- und Regenerationsmethoden erholungsbedürftige Stars aus Sport, Politik und Kultur zur Kur angelockt haben.
Danach war es sein eigenes Haus, die „Falco-Villa“ in der Hornerstraße, die ab Sommer 1993 zu seinem fixen Rückzugsort wurde. Die Besonderheit ist, dass es dieses Haus immer noch gibt, und zwar weitestgehend unverändert, wie es der Hausherr im Jänner 1998 zurückließ, in jenen Tagen, bevor er sich auf seinen letzten Überseeflug in die Dominikanische Republik aufgemacht hat, wo wenige Wochen später am 06.02.1998 der tödliche Unfall passiert ist. Danach folgte zwar prompt der posthume Höhenflug der Kunstfigur Falco, aber im Laufe der Jahre nur langsam die begleitende Beleuchtung der Person dahinter. Wer der Superstar war und wie die „Marke Falco“ funktioniert hat, ist heute hinlänglich bekannt.
Aber wer war der Mensch hinter der Sonnenbrille? Wer war das Wesen hinter den mittlerweile weltweit bekannten coolen Gesten und Grimassen?
Mit einem Respektabstand von mehr als einem Vierteljahrhundert werden solche Fragen wieder interessant, sind wir doch dank der Social Media mittlerweile alle mehr oder weniger in diverse Spiele der Selbstinszenierung eingetreten. Wann zeige ich mich so, wie ich abseits der Kameras bin und vor allem wem schenke ich das Vertrauen, mich in der Banalität meines Alltags erleben zu dürfen? Eine spannende Frage für uns heute – wie für Falco damals.
Vor dreißig Jahren, in der Zeit vor den Smartphones, war die Trennlinie zwischen öffentlich und privat noch eine ganz klare. Im Falle von Hans Hölzel sogar eine offensichtliche. Hier zuhause, dort Arbeit. Hier Gars, dort Wien. Hier Hansi, dort Falco. Dazwischen lagen Welten. Aber wie schlägt man die Brücke zwischen diesen beiden Polen? Die Annäherung an den Privatmenschen kann nur über zwei Ebenen erfolgen: über Zeitzeugen, die ihn „ungeschminkt“ erlebt haben und über Einblicke in die Räume, die er bewohnt hat.
Zum Thema „Falco in Gars“ gab es im Jahr 2018/2019 im Theatermuseum Hannover bereits eine erfolgreiche Ausstellungspremiere. Zu diesem Zweck wurden damals vom Fotografen Niko Havranek beeindruckende Innen- und Außenaufnahmen der Falco-Villa angefertigt, diese mit persönlichen Gegenständen aus dem Räumlichkeiten ergänzt und mit einigen interessanten Medienauftritten eindrucksvoll aufbereitet. Auf diese Weise hatte sich vor drei Jahren in Norddeutschland, also in weiter Entfernung zu Wien eine erste Türe in jenes Haus geöffnet, das bis heute für interessierte Besucher und Falco-Fans immer noch fest verschlossen ist. Aber wenn eine Türe verschlossen bleibt, öffnen sich andere Wege.
Da sich die Falco-Villa in Gars aufgrund der engen und zum Teil verwinkelten Innenräume wirklich nicht für eine museale Nutzung eignet, hat sich mit der Übernahme der großflächigen Aufnahmen von der Ausstellung in Hannover nun eine Brücke zurück nach Gars ergeben. Die damals angefertigten Abbildungen vermitteln einen durchaus repräsentablen Eindruck von der Wohnatmosphäre in der Falco-Villa. Einige davon sind hier in Gars ausgestellt. Rudi Winglhofer hat jene Bilder ausgesucht, die Privates zeigen und zugleich einen Respektabstand zur Privatperson wahren.
Aber das ist noch lange nicht alles. Die Bilder fungieren lediglich als Anker für weitere Informationen, sei es in digitaler Form als erklärende Medienberichte oder Musikbeispiele, die über QR-Codes abrufbar sind. Ergänzt wird die Schau von speziellen Bühnenkostümen, begleitenden Abdrucken handschriftlicher Notizen und sorgsam ausgewählten Gegenständen aus dem alltäglichen Gebrauch. All das könnte in Hamburg, Wien, Paris oder Tokio auch gezeigt werden. Was aber nur in Gars möglich und damit so wertvoll ist, sind die persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen, die Hans Hölzel hier erlebt haben. Die „oral history“ ist es, die das Herzstück dieser Falco-Ausstellung bildet.
Rudi Winglhofer hat Nachbarn, Bekannte, Ortansässige, die im Laufe der Jahre zu guten Freunden und wichtigen Vertrauten von Hans Hölzel wurden, vor die Kamera gebeten und sie nach ihren Erinnerungen gefragt. Sie alle haben hier in Gars nicht den Falco erlebt, sondern einen Menschen kennengelernt, der in seinem Wunsch nach Rückzug von einer unnahbaren Kunstfigur mehr und mehr Nähe zugelassen hat. Und das sind berührende Geschichten. Manches klingt wie die wunderbare Zähmung des Falken, anderes wie ein heiterer Schwank aus einem Lustspiel oder Begegnungen, die im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen ließen.
„Ich hab mit den Leuten viel Amusement. Ich glaub‘, sie mit mir auch… Ich bin vielleicht eine – lassen’s mich sag’n – vielleicht a bissl a Blutauffrischung da“,
sagte Falco in einem ORF-Interview 1997.
Faktum ist, Hans Hölzel war hier nicht Falco, sondern der Hansi. Umso mehr haben sein Esprit, sein Humor wie auch seine spontane Herzlichkeit beeindruckt. Ein Zeichen dafür, dass die Barriere zum Superstar hier in Gars tatsächlich geschmolzen ist, verdeutlicht seine langjährige Vertraute Anni Gräff bei der Eröffnung so treffend:
„Es sind nicht die Fotos, weil man fotografiert seine Nachbarn nicht, sondern die unvergesslichen Begegnungen, die den Hans lebendig bleiben lassen.“
Anni Gräff
In diesem Sinne werden mit dieser Sonderausstellung gleich mehrere Brücken geschlagen. Der kleine Ausstellungsraum bildet nicht nur ein Energiefeld der popmusikalischen Epoche der 80/90er Jahre, sondern dokumentiert auch erstmals die Verbindung, die längst fällig war: zwischen Falco, dem Superstar und den Menschen, wie er wirklich war.
Weil wir Genies und Persönlichkeiten immer erst im Nachhinein in ihrem Wesen erkennen, nimmt diese Ausstellung in der Falco-Rezeption jetzt schon einen Sonderplatz ein und wird vermutlich nicht nur Falco-Fans aus aller Welt anziehen, sondern einige andere Besucher berühren und inspirieren. In einer liebevoll gestalteten Broschüre kann man manche Anekdoten übrigens nachlesen und die Eindrücke vertiefen.
„Baby, wenn du mich suchst, findest du mich da, wo die Musik ist.“
(FALCO aus seinen privaten Notizen)
Als Auftakt zu dieser Sonderschau hat sich der Mastermind Rudi Winglhofer übrigens nicht nur als Kurator und Austellungsorganisator, sondern auch als eingefleischter Kenner der Falco-Musik entpuppt. Im Rekordtempo von wenigen Tagen hat er ein kleines Ensemble zusammengestellt, das zur Eröffnungsfeier einen Mini-Querschnitt von bekannten Falco-Songs gesanglich und dramaturgisch erstaunlich durchdacht auf die Bühne gebracht hat.
Dabei ging es ihm als Regisseur nicht um das originalgetreue Imitieren von falconischer Gestik und Mimik, sondern um eine den bescheidenen Bühnenverhältnissen angemessene, möglichst emphatische Interpretation der Lieder. Der Bogen hat sich von „Amadeus“ über „Vienna Calling“, „Out of the Dark“, dem „Kommissar“ bis „Jeanny“ gespannt und damit die spezielle „Vibration“ von Falcos Werk eindrucksvoll in Erinnerung gerufen:
Events dieser Art, wo man mit dem Herzen und nicht so sehr mit dem großen Geld dabei ist, zaubern auch immer ungeahnte Talente hervor. An dieser Stelle sei der Sänger und Neo-Falco-Interpret Christoph Grassler genannt, der sich an diesem Abend als Glückstreffer herausgestellt hat. Er zeigte im Bühnenoutfit nicht nur eine optisch verblüffende Ähnlichkeit mit dem Original, sondern konnte auch durch seine unerwartet mutige Performance gemeinsam mit drei tollen Background-Girls beeindrucken:
Die Magie des Augenblicks wurde freilich noch verstärkt durch den Einsatz des Original-Kommissar-Mantels, der wohl an keinem anderen Ort auf der Welt so unkompliziert zum Einsatz kommen konnte wie da, wo ihn der Meister vor 40 Jahren selbst im Kasten deponiert hat. Man könnte meinen, Falco hat seine Sachen aufbewahrt für eine nächste Generation, die IHN eines Tages mit neuen Augen sieht, sucht und findet. Vermutlich hätte Hans die Garser schon viel früher zu einer „private session“ eingeladen. So wurde es eine Performance in seinem Sinn, der hoffentlich noch weitere folgen werden.
Bericht & Redaktion:
Amadea S. Linzer
VIDEO-Bericht
zur Eröffnung der FALCO-Sonderausstellung
vom 02.07.2021
Die Ausstellung ist noch bis 26.09.2021 im Zeitbrücke Museum Gars geöffnet und kann am Samstag, Sonn- und Feiertag von 10:00-12:00 und von 14:00-17:00 besucht werden.
ALLE INFOS:
FALCO.NET – LINK